Kritik9. September 2022

Netflix-Kritik «Downfall»: 10 Sekunden und du bist tot

Netflix-Kritik «Downfall»: 10 Sekunden und du bist tot
© Netflix

Der Fall gegen Boeing beleuchtet die Fahrlässigkeit und die Profitgier, die zum Absturz zweier Flugzeuge vom Typ Boeing MAX 737 innerhalb eines Zeitraums von nur fünf Monaten führten. Anhand von Informationen von Fachleuten der Luftfahrtbranche, Journalisten, früheren Boeing-Mitarbeitern, dem Kongress der Vereinigten Staaten und den Familien der Opfer enthüllt die Dokumentation die vorherrschende Kultur der rücksichtslosen Kosteneinsparungen und der Verschleierung in dem einst hoch angesehenen Unternehmen.

Täglich starten über 10.000 Flugzeuge in die Luft, ob Geschäftsreise oder der langersehnte Urlaub – niemand rechnet mit einem tödlichen Absturz. Doch genau das ist geschehen. Innerhalb eines halben Jahres, im Oktober 2018 und März 2019, werden gleich zwei Flugzeugabstürze der Fluglinie Boeing verzeichnet. Sauber strukturiert wird in der Dokumentation zunächst der erste Flugzeugabsturz am 29. Oktober 2018 dargestellt.

Garima Sethi erzählt im Interview über ihren Tag, an dem der Absturz geschah – wie gewohnt machte sich ihr Ehemann und Pilot der Airline auf den Weg zur Arbeit. Neben dem Verlust ihres Mannes erzählt sie vom enormen medialen Druck, den sie durch die Presse erfährt. Die Firma Boeing weist die Fehler an der Maschine des Modells 737 MAX von sich und macht die Piloten der Maschinen für den Absturz verantwortlich – plädiert wird auf ihre unqualifizierte Flugausbildung.

10 Sekunden und du bist tot – 10 Sekunden in einer Notlage, in der erfahrene Profis der Luft sich zunächst einen Überblick über die Situation schaffen mussten und 10 Sekunden, die einfach nicht reichen, um sich und über 150 Passagiere zu retten.– Nicole Janssen

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Nach detaillierten Untersuchungen des Absturzes und zur Verwunderung aller, fällt der unbekannte Begriff MCAS – ein Kontrollsystem und Stabilisierungsmechanismus. Eine Kette an Schuldzuweisung beginnt: Boeing übt Kritik aus, dass besagtes MCAS-System nicht deaktiviert wurde. Die Piloten der Maschinen wurden nie über die Installation sowie den Umgang mit dem System informiert und geschult.

Geld steht erneut über dem Menschenleben und der Trauer der Hinterbliebenen, – die während des Prozesses von Dennis Mullenberg konstant ausgeblendet werden.– Nicole Janssen

Redakteure wie Andy Pasztor von The Wall Street Journal beteiligen sich am Informations- und Aufklärungsgeschehen. Nebst der Absurdität der Situation und des nicht Eingestehen des begangenen Fehlers durch Boeing, wird die Kette an Ereignissen noch weiter gesponnen.

Denn am 10. März 2019 geschieht es erneut: Wieder stürzt eine Boeing 737 MAX ab. Die Piloten der Maschine reagieren diesmal genau richtig und dennoch endet das Ganze in einem tödlichen Aufschlag, da die Reakrionszeit von 10 Sekunden überschritten wurde. 10 Sekunden und du bist tot – 10 Sekunden in einer Notlage, in der erfahrene Profis der Luft sich zunächst einen Überblick über die Situation schaffen mussten und 10 Sekunden, die einfach nicht reichen, um sich und über 150 Passagiere zu retten.

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Mehr als verständlich und trotzdem schön zu sehen ist die Stellungnahme des bekannten Kapitän Sullenberger: Dieser positioniert sich bei der Frage nach der Menschlichkeit auf Seiten der zuständigen Piloten. Sullenberger befand sich bereits 2009 in einer ähnlichen, jedoch glücklich ausgegangenen Situation (Film «Sully»).

Die Geschichte der Firma unter der Leitung von Dennis Mullenberg wirkt zunächst wie eine Rechtfertigung der Fehler, zeigt jedoch nur einen Einblick in das Netz aus Manipulation und vorsätzlichem Handeln. Geld steht erneut über dem Menschenleben und der Trauer der Hinterbliebenen, – die während des Prozesses von Dennis Mullenberg konstant ausgeblendet werden.

Die Netflix-Doku arbeitet mit Original-Interviews und Nachrichten der Vorkommnisse des 29. Oktober 2018 und des 10. März 2019 über die Flugzeugabstürze der Boeing Airline. Wie es den Familien ergangen ist. Es wird aufgezeigt, wie es zu den tödlichen Tragödien kommen konnte – 189 und 157 Menschen, die ihr Leben verloren haben, und die Familien, die mit der schockierenden Nachricht ihr Leben weiter führen mussten. Was bietet Trost und inwiefern die Hinterbliebenen Gerechtigkeit erfahren, wird im langen Prozess der 89-minütigen Netflix-Dokumentation visualisiert.

4 von 5 ★

Die enthüllende, ergreifende und atemstockende Dokumentation ist auf Netflix verfügbar.

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