Kritik9. Dezember 2020

Netflix-Kritik «Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel»: Die absolute Freiheit

Netflix-Kritik «Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel»: Die absolute Freiheit
© Netflix

Die wahre Geschichte der Roseninsel, einer Nation vor den Toren Italiens, wird hier auf beschwingt lockere Art und Weise erzählt. Amüsant ist übrigens auch, dass die Existenz dieser Nation einiges bewirkt hat: Die Hoheitsgewässer der europäischen Nationen wurden von sechs auf zwölf Seemeilen erweitert, um ein ähnliches Unterfangen künftig unmöglich zu machen.

Filmkritik von Peter Osteried

Natürlich ist das Ganze stark dramatisiert, aber: Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel ist tatsächlich wahr. Sie erzählt von einer neu gegründeten unabhängigen Nation, die sich jeder Menge Widrigkeiten stellen musste. Daraus wird ein vergnüglicher Film, der durchaus auch tiefsinnigere Momente hat, wenn er sich mit den Fragen nach der Freiheit des Einzelnen, aber auch ganzer Nationen befasst.

1968: Der Ingenieur Giorgo hat die ewigen Regelungen satt. Er kommt auf die Idee, vor der Küste Riminis in internationalen Gewässern eine Plattform zu errichten. Eine Insel, die schon bald auf den Namen Roseninsel getauft wird und eine souveräne Nation ist – mit eigener Sprache, eigener Regierung, eigenen Briefmarken, vor allem aber allen Freiheiten. Und natürlich mit einer eigenen Bevölkerung. Der italienischen Regierung ist die souveräne Nation vor den eigenen Toren ein Dorn im Auge. Man will sie loswerden, während Giorgo den Europarat um Hilfe anruft.

Wäre die Geschichte nicht wahr, würde man sie wohl als an den Haaren herbeigezogen beurteilen.– Cineman-Filmkritiker Peter Osteried

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Im Grunde klingt die Idee abstrus. Wäre die Geschichte nicht wahr, würde man sie wohl als an den Haaren herbeigezogen beurteilen. Aber das ist das Wunderbare an Filmen wie diesen. Dass sie unbekannte Momente der Historie herausgreifen und sie auf amüsante Art und Weise aufleben lassen. Dass der Film sich natürlich allerhand Freiheiten nimmt, liegt auf der Hand. Das Ganze muss schliesslich dramatischer sein, als das Leben selbst – man denke hier nur an das eskalierende Finale, als ein italienisches Kriegsschiff vor der Roseninsel kreuzt.

Es ist höchst vergnüglich, hier zuzusehen, wie sich die Situation immer weiter hochschaukelt.– Cineman-Filmkritiker Peter Osteried

Man mag die Hauptfigur. Weil Giorgo jemand ist, der um die Ecke denken kann, der sich mit Situationen nicht abgibt, sondern auf skurrile Ideen kommt. Es ist höchst vergnüglich, hier zuzusehen, wie sich die Situation immer weiter hochschaukelt, wie aus einer Diskothek auf dem Meer ein praktisch echtes Land wird und wie die etablierte Politik auf einen solchen Affront reagiert. Denn wenn jedermann vor den Hoheitsgewässern eigene Länder gründen kann, welche Macht kann eine Regierung dann noch auf das eigene Volk ausüben? Das verpackt Regisseur Sydney Sibilia in wunderschöne Bilder. Er erzählt mit leichter Hand. Der Schalk scheint ihm immer im Nacken zu sitzen, weil die Geschichte zweierlei ist: überzogen, aber auch glaubwürdig. Ein Paradoxon, das einen Film eigentlich implodieren lassen sollte – so wie Giorgo den Fernseher von Gabriellas Vater –, aber es funktioniert.

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Das Ergebnis ist ein durch die Bank überzeugender Film, den man getrost in diesem Jahr zu den Highlights im Angebot des Streaming-Riesen Netflix zählen darf.

4 von 5 ★

«Die unglaubliche Geschichte der Roseninsel» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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