Kritik23. Oktober 2020

Netflix-Serienkritik «Barbaren»: Gemeinsam gegen Rom

Netflix-Serienkritik «Barbaren»: Gemeinsam gegen Rom
© Netflix

Geschichte als Intrigen- und Gefühlsreigen: Die neue deutsche Netflix-Eigenproduktion «Barbaren» handelt von den Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern und läuft auf die mythisch verklärte Varusschlacht im Jahr 9. n. Christus zu, die sich angeblich im Teutoburger Wald abspielte.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

Wo genau das einschneidende Gefecht stattfand, bei dem ein Bündnis germanischer Stämme drei römische Legionen vernichtend schlagen konnte, ist bis heute umstritten und nicht die einzige Unklarheit, die sich um dieses historische Ereignis rankt. Arne Nolting und Jan Martin Scharf, den Showrunnern der Netflix-Serie, dürfte es geschmeckt haben, dass nach wie vor viele Aspekte fraglich sind. Immerhin öffnen sich damit der künstlerischen Freiheit Tür und Tor.

Thusnelda präsentiert sich als selbstbewusste Frau, die gegen patriarchale Bevormundung rebelliert.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

«Barbaren» erzählt von drei gebürtigen Germanen, deren Freundschaft in Kindertagen abrupt auseinandergerissen wird. Während Thusnelda und Folkwin in ihrer Heimat bleiben, verschleppen die Römer Fürstensohn Ari als Tribut in ihre Hauptstadt, wo er unter dem Namen Arminius in der Obhut des adeligen Varus (souverän als kalter Machthaber: Gaetano Aronica) aufwächst.

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Jahre später kommt Arminius (Laurence Rupp) nach Germanien, um seinem als Statthalter fungierenden Ziehvater – das enge Verhältnis ist eine Erfindung der Serienschöpfer – im Kampf gegen die Einheimischen zu unterstützen. Thusnelda (Jeanne Goursaud), die eigentlich einem anderen Mann versprochen ist, und Folkwin (David Schütter) führen zu eben dieser Zeit eine heimliche Beziehung und beschließen nach neuerlichen Repressalien durch die Römer, deren Ehre zu verletzen.

Erstaunlich leicht gelingt es den beiden mit einigen Mitstreitern, in das Militärlager einzudringen und die symbolisch so wichtige Adlerstandarte zu entwenden. Ein Raub mit Folgen. Denn Varus will die Täter bluten sehen und greift dabei auf die Hilfe seines Adoptivsohnes zurück. Arminius ahnt allerdings, wer hinter dem Diebstahl steckt, und ist plötzlich hin- und hergerissen zwischen seiner Loyalität zu Rom und der alte Verbundenheit.

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Diese Dreiecksgeschichte bildet den Hintergrund, vor dem die sagenumwobene Varusschlacht herannaht. Die Zerstrittenheit der unterschiedlichen germanischen Stämme, die einen gemeinsamen Widerstand gegen die römische Kolonialmacht verhindert, macht die Serie zwar greifbar. Viel Zeit für einen Blick auf die Vielfalt nehmen sich die Macher aber nicht. Im Zentrum steht das cheruskische Dorf, in dem Thusnelda und Folkwin leben.

Ein Vorbild scheint die Historiensaga «Vikings» gewesen zu sein.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Dass «Barbaren» keinen dauerhaften Sog entwickelt, liegt vor allem an der etwas schwammigen Zeichnung der Hauptfiguren. Thusnelda präsentiert sich als selbstbewusste Frau, die gegen patriarchale Bevormundung rebelliert. Wie sie ab einem gewissen Punkt zu einer Anführerin mit vermeintlich seherischen Fähigkeiten hochgejubelt wird, ist jedoch wenig überzeugend. Folkwin bleibt zumeist auf die Rolle des hitzköpfigen Draufgängers reduziert und wirkt in David Schütters betont rotziger Darstellung, als käme er aus einer anderen Epoche. Der Zwiespalt von Arminius wiederum bietet das größte Potenzial für ein spannendes Charakterprofil. Seine Identitätskrise und sein langsames Umschwenken werden allerdings nicht ausführlich genug betrachtet, um richtig zu fesseln.

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Zu oft gibt sich «Barbaren» mit grob gestrickten Intrigen, die von Zufällen begünstigt werden, und seichtem Liebesgeplänkel zufrieden. Ins Bild passen da auch einige seltsam dümmliche Dialoge und die überpräsente Musik, die bei keinem emotionalen Wendepunkt fehlen darf. Das Bemühen um Authentizität ist durchaus erkennbar. So sprechen etwa die Römer konsequent Latein. Kleine Unglaubwürdigkeiten torpedieren die guten Absichten aber mehr als einmal. Exemplarisch ist eine Szene, in der zwei germanische Krieger durch eine römische Kloake waten, nur um wenige Momente später fast komplett trocken und sauber durch das Lager der Feinde zu schleichen.

Die germanischen Wälder werden als schummriger, labyrinthischer Ort in Szene gesetzt. In ihrem erdigen Düsterlook orientiert sich die Serie jedoch an größtenteils etablierten Mustern. Ein Vorbild scheint die Historiensaga «Vikings» gewesen zu sein, zu der Steve Saint Leger, einer der beiden «Barbaren»-Regisseure, diverse Episoden beisteuerte. Der Ausstattungs- und Kostümaufwand ist sicherlich beachtlich. Mitunter – vor allem bei der Schlacht am Ende – wirken die Dimensionen aber etwas zu klein, sodass sich die intendierte Wucht nicht voll entfalten kann.

2 von 5 ★

«Barbaren» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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