Kritik20. Oktober 2020

«Milla Meets Moses» Filmkritik: Dem Leben eine Prise Glück abgetrotzt

«Milla Meets Moses» Filmkritik: Dem Leben eine Prise Glück abgetrotzt
© Pathé Films

Shannon Murphys Coming-of-Age-Drama um eine schwerkrank 16-Jährige, die sich auf einen 23-jährigen Junkie einlässt, geht direkt unter die Haut.

Filmkritik von Irene Genhart

Die 16-jährige Milla steht an einem frühen Morgen in sich versunken neben einigen Schulkameraden wartend auf einem Bahnsteig. Doch dann, just im Moment, in dem ein Zug einfährt, springt der Moses auf den Bahnsteig. Der Vorfall haut Milla wortwörtlich um. Und er weckt sie aus ihrer Lethargie.

© Pathé Films

Ob sie ihm Geld für die Notunterkunft hätte, pumpt der 23-Jährige Milla an. Sie habe nur 50 bei sich, sagt Milla. Er meint, das sei zu viel, nimmt das Geld trotzdem. Er schulde ihr dafür einen Gefallen, ruft sie ihm nach. Wenige Sekunden nur dauert dieses Kennenlernen, in der nächsten Szene bereits schneidet Moses Millas langes Haar zu einer strubbeligen Punkfrisur. Dass die beiden dafür ins Haus seiner Mutter einbrachen, das Moses nicht betreten darf, weil da auch sein kleiner Bruder wohnt, erfährt der Zuschauer erst später. Dann hat Milla Moses bereits auch schon spontan zum Nachtessen zu sich nach Hause genommen.

«Milla Meets Moses» ist glänzend besetzt.– Cineman-Filmkritikerin Irene Genhart

Ihre Eltern hat man kurz davor kennengelernt: Millas Vater Henry ist Psychiater, ihre Mutter Anna hat ihre Karriere als Pianistin aufgegeben, Millas Krankheit belastet die beiden. Anna besucht Henry in der Praxis. Sie unterhalten sich als Arzt und Patientin, haben Sex, Henry verschreibt Anna Pillen. Dass beim ersten gemeinsamen Nachtessen eine andere Person als Moses vollgedröhnt am Tisch sitzt, ist eine von vielen skurrilen Momenten, mit denen Shannon Murphy in ihrem Kinoerstling überrascht.

Dessen Story, geprägt von Millas Verliebtheit, Moses Unzuverlässigkeit, Annas Zusammenbrüchen, dem unaufhaltbaren Fortschreiten der Krankheit, bewegt sich sprunghaft weiter. Lange bildet Vater Henry darin den ruhenden Pol. Doch die neue Nachbarin, die immer wieder hochschwanger und rauchend vor der Garage steht, wird ihm zur Verführung. Und als Henry in einer der letzten Szenen des Filmes am Strand ein letztes glückliches Foto von seiner Tochter zu machen versucht, zittern seine Hände vor Nervosität derart, dass Milla ihm die Kamera aus der Hand nimmt und stattdessen ein Foto von ihren Eltern schiesst.

«Milla Meets Moses», basiert auf Rita Kalnejais Theaterstück „Babyteeth“ und ist mit Eliza Scanlen und Tobey Wallace in den Titelrollen, sowie mit Essie Davis und Ben Mendelsohn als Eltern glänzend besetzt. Ein von Lebenslust strotzendes, oft komisches, aber auch lässiges, humorvolles und zwischendurch grandios bissiges Coming-of-age-Drama, das von den letzten Dingen eines Lebens berichtend direkt unter die Haut geht.

4 von 5 ★

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