Artikel14. September 2018

3 Gründe, warum «Chris the Swiss» der Schweizer Film der Stunde ist

3 Gründe, warum «Chris the Swiss» der Schweizer Film der Stunde ist
© First Hand Films

Im Januar 1992 wird der Schweizer Kriegsreporter Christian Würtenberg unter mysteriösen Umständen in Kroatien tot aufgefunden. 25 Jahre später begibt sich seine Cousine, Filmemacherin Anja Kofmel, auf Spurensuche in die Vergangenheit. Entstanden ist ein einzigartiges Dokument über den Wahnsinn des Krieges.

Der Trailer

1. Die Spurensuche in der Vergangenheit entwickelt sich zu einer Story mit Sogwirkung.

Es war an einem Wintertag im Januar 1992, als die damals 10-jährige Anja Kofmel vom Tod ihres älteren Cousins Christian Würtenberg erfuhr. Nun, 25 Jahre später, arbeitet die Filmemacherin das Schicksal des Schweizer Kriegsreporters auf und begibt sich in «Chris the Swiss» auf Spurensuche in die Vergangenheit. Anfangs der 1990er-Jahre tobte dazumals im ehemaligen Jugoslawien ein unmenschlicher Krieg. Als Journalist fühlte sich Chris berufen, live vor Ort vom Elend an der Front zu berichten – doch dabei blieb es nicht. Chris freundete sich mit dubiosen Gestalten an und landete schlussendlich in einer rechtsradikalen Söldnerbrigade, die auf der Seite der Kroaten kämpfte.

Es hat einfach Journalisten gegeben, die wurden nicht mit der Tatsache fertig, dass sie als Beobachter dort sind.– Heidi, Journalistin

Im Film formuliert Kofmel Fragen an ihren verstorbenen Cousin: Sie will herausfinden, was den friedliebenden Chris dazu bewogen hat, sich einer paramilitärischen Gruppe anzuschliessen, und wer für seinen Tod verantwortlich ist. Sie stellt Nachforschungen an und stösst dabei auf Weggefährten von Chris, andere Kriegsreporter und Mitkämpfer, die den jungen Schweizer Reporter aber immer rätselhafter erscheinen lassen – als schillernde Figur, die nur schwer durchblicken liess, welche Motivation hinter ihren Taten steckte. Besonders emotional ist das Gespräch mit Chris' Bruder, welches zeigt, dass dessen Schicksal auch bei seiner Familie tiefe Narben hinterlassen hat. «Chris the Swiss» etabliert eine packende Story mit immer neuen Wirrungen, die Fragen offen lässt und auch genau darum eine solche Sogwirkung entwickelt.

© First Hand Films

2. «Chris the Swiss» vereint das Beste aus beiden Welten.

Für ihren ersten Langfilm wählte Kofmel die Form des animierten Dokumentarfilms, auch Animadok genannt. Dabei dienten ihr Filme wie «Persepolis» und «Waltz with Bashir» als Vorbild. Die Filmemacherin verfolgte jedoch ihren eigenen Ansatz und entschied sich gegen einen komplett animierten Film. So wird der Zuschauer in «Chris the Swiss» mit teilweise verstörendem Archivmaterial aus dem Jugoslawienkrieg konfrontiert. Zudem sind auch Kofmels eigene Reise auf den Spuren von Chris und die Interviews mit seinen Weggefährten Teil der Dokumentation. Kofmels Ziel war es, das Beste aus beiden Welten zu vereinen – so betonte sie im Rahmen eines Making-of am Fantoche-Filmfestival, dass vor allem bei animierten Interviews ein Teil der Information verloren ginge. Während sich ihre Suche nach Antworten wie ein roter Faden durch den Film zieht, bieten die animierten Sequenzen Freiräume, in denen sich Kofmel anhand von Chris' Notizen vorstellt, wie ihr Cousin damals während dem Krieg in Kroatien gelebt hat. Der Reiz des Films ergibt sich also nicht nur durch die dokumentarische Authentizität, sondern auch durch die kreative Umsetzung.

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3. Kofmel versteht es, den Wahnsinn des Krieges auf Leinwand zu bannen.

Bereits zum Abschluss ihres Studiums an der Hochschule Luzern produzierte Anja Kofmel den animierten Kurzfilm «Chrigi», in dem sie den Tod ihres Cousins verarbeitete. Für die Realisation des Dokumentarfilms arbeitete Kofmel mit einem kroatischen Animationsstudio zusammen, wobei 35 Zeichnerinnen und Zeichner an der Umsetzung ihrer Idee beteiligt waren.

Die fertigen Animationssequenzen sind in verschiedene Grautönen gehalten, was ein Gefühl der Beklommenheit auslöst. Zudem tauchen immer wiederkehrende Motive auf, wie zum Beispiel das der Insektenplage, die ganze Landstriche vernichtet und vor keinem Halt macht – eine klare Anspielung auf den grässlichen Krieg. Teils berichten alptraumhafte Passagen vom Wahnsinn, den Chris mit eigenen Augen gesehen haben muss, und manchmal scheint er wie durch einen Sog in den Höllenschlund des Krieges gezogen zu werden. Wie Kofmel das Leid des unmenschlichen Konflikts auf Leinwand bannt, ist einzigartig – auch wenn es einen bedrückenden Nachgeschmack hinterlässt.

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