Kritik22. Juni 2021

DisneyPlus-Kritik: «Pride» - Die Kunst, stolz zu sein

DisneyPlus-Kritik: «Pride» - Die Kunst, stolz zu sein
© Disney+

Die sechsteilige Dokuserie ist eine detaillierte Chronik der LGBT Bewegung, von Beginn der 50er Jahre bis zur Gegenwart. Jede Folge wurde von einem anderen Filmemacher gedreht, was zu unterschiedlichen Ansätzen und Resultaten führt.

Serienkritik von Gaby Tscharner

Als queerer Mensch aufzuwachsen, ist schwierig. Die Tatsache, dass die Kultur und Geschichte der LGBT Community und der Kampf dieser Bewegung in Schulen nicht gelehrt und von Medien nicht genügend aufgezeichnet wird und deshalb Vorbilder und Anhaltspunkte fehlen, macht es nicht einfacher. In diese Lücke will nun die Dokuserie «PRIDE» springen. Sieben LGBT Filmemacherinnen und Filmemacher berichten in sechs 45-Minuten langen Folgen über verschiedenste Aspekte des Lebens als Mitglied der LGBT Community in Amerika. Ein hehres Ziel, das mit viel Talent, Einfallsreichtum und guter Absicht angegangen wird, aber unterschiedliche Resultate erzielt.

Die erste Folge von Tom Kalin (Savage Grace) mit dem Titel «Die 50er Jahre: Die Leute hatten Partys» beschreibt das schwule Leben von damals mit einer gewissen Leichtigkeit, die mit Super 8 Filmen und Fotos aus der Zeit dokumentiert wird. «Man schämte sich nicht, schwul zu sein», wird Amateurfilmer Harold O’Neil zitiert, der sein homosexuelles Leben in Amerika seit den 30er Jahren auf Film festhielt. «Wir waren einfach vorsichtig.» Aber die McCarthy Ära und die Spionagepraktiken des FBI Chefs J. Edgar Hoover erklärten den homosexuellen Lebensstil als kriminellen Akt. Kalin illustriert das mit einer filmischen Nachstellung der Entlassung der lesbischen Regierungsbeamtin Madeleine Tress (gespielt von Alia Shawkat), eine frühe Pionierin der LGBT Bewegung, die von ihren Freunden ausgepfiffen wurde und eine von tausenden von Beamten war, die wegen ihrer sexuellen Orientierung ihren Job verlor.

Seine öffentliche Rolle wurde jedoch heruntergespielt, weil er schwul war und deshalb als Bürde gesehen wurde.– Cineman-Filmkritiker Gaby Tscharner

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Regisseur Andrew Ahn (Driveways) benutzte für seine Folge in erster Linie Archivmaterial, um die erzkonservativen 60er Jahre darzustellen. Wo es ihm an filmischer Dokumentation mangelte, benutzt er effektvoll die Hilfe von Animation und gezeichneten Illustrationen, um seine Ideen umzusetzen. Die Folge «Riots und Revolutions», Ausschreitungen und Revolutionen, zeigt die Parallelen zwischen der LGBT Community und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung auf. Bayard Rustin war ein prominenter afro-amerikanischer Aktivist, der mit Martin Luther King den Marsch nach Washington plante. Seine öffentliche Rolle wurde jedoch heruntergespielt, weil er schwul war und deshalb als Bürde gesehen wurde.

Auch die Geschichte der Transgender Bewegung wird durch bewegende Augenzeugenberichte wie denen der afro-amerikanischen Trans Aktivistin Ceyenne Doroshow aufgezeichnet.– Cineman-Filmkritiker Gaby Tscharner

«PRIDE» ist am spannendsten, wenn die Dokuserie authentisches Filmmaterial mit einbezieht, wie z.B. in Anthony Caronna und Alexander Smiths Folge «Underground» über die 80er Jahre. Sie zeigt das Leben in den Clubs von New York mit Hilfe der Aufnahmen des Amateur-Filmemachers Nate Sullivan, der die Starqualität eines blutjungen RuPaul festhielt, der heute eine der berühmtesten Dragqueens der Welt ist. Auch die Geschichte der Transgender Bewegung wird durch bewegende Augenzeugenberichte wie denen der afro-amerikanischen Trans Aktivistin Ceyenne Doroshow aufgezeichnet. Über mehrere Folgen hinweg beweisen ihre Erfahrungen, weshalb das Leben als Mitglied der LGBT Community für manche noch immer ein Kampf auf Leben und Tod ist.

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Aber nicht alle Stilmittel, mit denen die Informationen vermittelt werden, sind so erfolgreich wie andere. In der Folge «Die 90er Jahre: Der Krieg der Kulturen» zum Beispiel will Regisseur Yance Ford (Strong Island) aufzeigen, wie sexistisch die Reden von Politikern wie dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Pat Buchanan oder Bill Clintons berühmter «Don’t ask don’t tell» Ansprache doch waren. Um das zu illustrieren, lässt Ford die Worte der Politiker von jungen Mitgliedern der LGBT Community mit missbilligenden Gesichtern nachsprechen, was völlig unnötig ist, denn die Homophobie dieser Reden spricht für sich. «PRIDE» ist detailliert und tiefgründig und beleuchtet wichtige Facetten der LGBT Kultur, die fast fünf-stündige Laufzeit verlangt vom Zuschauer aber einiges an Durchhaltevermögen. Aber die Ausdauer lohnt sich. Gerade in der Subjektivität der Augenzeugenberichte und der künstlerischen Freiheit der Filmemacher liegt die Stärke dieser Dokuserie.

4 von 5 ★

«PRIDE» ist ab sofort auf Disney+ verfügbar.

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