Kritik30. März 2022

Disney Plus Serien-Kritik «Moon Knight»: Mann im Spiegel

Disney Plus Serien-Kritik «Moon Knight»: Mann im Spiegel
© Disney

Neue Superhelden braucht die Welt: Die Disney Plus-Serie «Moon Knight» führt mit der Titelfigur ein frisches Gesicht in den Kosmos der Marvel-Verfilmungen ein. Trotz gelungener Ansätze wirkt das Ergebnis nach vier von insgesamt sechs Episoden aber etwas unrund.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

Die Nächte sind für Steven Grant (Oscar Isaac) keineswegs erholsam. Aus Angst, irgendwo anders als in seinem Bett aufzuwachen, kettet sich der Angestellte eines Museumsgiftshops jeden Abend mit einer Fussfessel an einen Pfosten. Ständig wird er von seltsamen Visionen heimgesucht. Und allmorgendlich fühlt er sich übel gerädert.

Als es ihn scheinbar im Schlaf mal wieder an einen unbekannten Ort verschlägt, in diesem Fall ein Alpendorf, kennt die Verwirrung keine Grenzen. Nicht nur gibt ihm eine gottgleiche Stimme (in der Originalversion: F. Murray Abraham) Anweisungen. Unverhofft wird er ausserdem Zeuge einer seltsamen Zeremonie, die ein Mann namens Arthur Harrow (Ethan Hawke) abhält. Kurz darauf findet sich Steven in einer wilden Verfolgungsjagd wieder, da ihm ein offenbar mächtiges Artefakt in die Hände gefallen ist.

Isaac hat zweifellos das Rüstzeug für den Spagat. In der Rolle Stevens bewegt er sich manchmal aber am Rande der Karikatur.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

Am nächsten Tag trifft er Harrow und dessen Handlanger an seinem Arbeitsplatz an und begreift wenig später, dass er an einer dissoziativen Identitätsstörung leidet. In seinem Körper haust auch der grimmige Söldner Marc Spector (ebenfalls Isaac), der sich als menschlicher Avatar des ägyptischen Mondgottes Khonshu vorstellt und mit dessen Hilfe die Gestalt des Superhelden Moon Knight annehmen kann. Widerwillig stellen sich der in der nordafrikanischen Mythologie bewanderte Steven und sein Alter Ego gemeinsam mit Spectors Ex Layla (May Calamawy) dem fanatischen Harrow in den Weg, der die Göttin Ammit anbetet und eigenwillige Vorstellungen hat, wie man das Böse komplett besiegen kann.

Jeremy Slater als Moon Knight © Disney

Mit Steven alias Marc alias Moon Knight führen die Macher der neuen Disney Plus-Serie Showrunner Jeremy Slater und die Regisseure Mohamed Diab, Justin Benson und Aaron Moorhead – eine spannende, weil gebrochene und ambivalente Figur in das stetig wachsende Marvel-Universum ein und nutzen die Verfassung des Protagonisten für allerhand visuelle und inszenatorische Kniffe. In Kontakt treten der Museumsmitarbeiter und Khonshus menschlicher Bote nämlich über Spiegel und andere reflektierende Oberflächen.

Jeremy Slater in der Rolle des Steven alias Moon Knight © Disney

Nicht nur während ihrer Wortwechsel auch isoliert voneinander arbeitet Hauptdarsteller Oscar Isaac die grundverschiedenen Persönlichkeiten heraus: Hier der sanftmütige, nerdige, in der englischen Fassung mit britischem Akzent sprechende Bücherwurm, der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte. Dort der taffe, zupackende Draufgänger, dem keine Auseinandersetzung zu heiss ist.

Isaac hat zweifellos das Rüstzeug für den Spagat. In der Rolle Stevens bewegt er sich manchmal aber am Rande der Karikatur. Tauchen in den Marvel-Produktionen bevorzugt Bösewichte auf, die die Weltherrschaft an sich reissen wollen, gibt es mit Arthur Harrow zur Abwechslung einen Widersacher, der das Übel bekämpfen will – dummerweise allerdings mit drastischen Methoden. Ethan Hawke verleiht diesem oft in sich ruhenden, mit leicht brüchiger Stimme sprechenden, auf einen magischen Krückstock gebückten Antagonisten eine mysteriös-sakrale Aura.

Ethan Hawke als Arthur Harrow © Disney

«Moon Knight» macht einen interessanten neuen Kosmos auf, stellt einige spannende Fragen in den Raum und hat ein paar gelungene Actionchoreografien zu bieten. Nach vier von sechs Episoden greifen jedoch nicht alle Rädchen ineinander. Vor allem im Tonfall schwankt die Serie zu stark. Klassische Horrorelemente, wilde Verfolgungsjagden und die beklemmende Verfassung der Hauptfigur werden vermischt mit den aus dem Marvel-Franchise bekannten Humoreinlagen, die mitunter – etwa in Folge eins – arg gewollt daherkommen. Noch stimmt der Mix leider nicht. Am Ende des vierten Kapitels offenbart sich aber eine Ebene, durch die Stevens bzw. Marcs Geschichte in eine aufregende Richtung gelenkt zu werden scheint. Hoffen wir, dass die Verantwortlichen diese Chance ergriffen haben!

3 von 5 ★

«Moon Knight» ist ab sofort auf Disney Plus verfügbar.

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