Artikel16. Januar 2018

Von Psycho bis Star Wars: Die Macht der Musik im Film

Von Psycho bis Star Wars: Die Macht der Musik im Film

Wenn einen ein Film zu Tränen rührt, ist dies oftmals der Verdienst der Filmmusik, die im Hintergrund ihre Wirkung entfaltet: Niemand würde Musafa aus «König der Löwen» nachweinen – wäre da nicht die emotionale Musik von Hans Zimmer. Höchste Zeit also, der Faszination Filmmusik auf den Grund zu gehen.

Um die durchschlagende Wirkung von Filmmusik zu demonstrieren, beginnen wir diesen Artikel mit einem Experiment, das auch im Dokumentarfilm Score: A Film Music Documentary, der momentan im Kino die Geschichte der Filmmusik aufrollt, als Exempel dient. Man stelle sich die legendäre Duschszene aus Psycho vor: Einmal mit und einmal ohne die prägnante und markerschütternde musikalische Untermalung.

Klar hat die Szene an sich bereits einen gewissen Wiedererkennungswert – was jedoch hängen bleibt, ist die Filmmusik, die mittlerweile als immer wiederkehrendes Motiv ihren Eingang in die Filmgeschichte gefunden hat. Erst durch die nervenaufreibenden Streicherklänge entfaltet sich die verstörende Wirkung der Szene, und genau bei diesem Punkt setzt ein guter Score an: Die Musik als treibende Kraft, die es schafft, durch gezielten Einsatz verschiedene Stimmungen hervorzurufen und somit eine Erzählung voranzutreiben.

Stummfilme und ratternde Projektoren

Das war jedoch nicht immer so: Während heute stattliche Summen bezahlt werden, um Filmmusik als Live-Erlebnis im Konzertsaal zu geniessen, war dies früher gang und gäbe. Stummfilme blieben nicht wie zu erwarten stumm, sondern wurden mit Live-Musik unterlegt, um die passende Atmosphäre zu schaffen. Und noch viel wichtiger: um das Rattern der Filmprojektoren zu übertönen. 1908 war es Camille Saint-Saëns, der den ersten komplett durchkomponierten Filmsoundtrack zu «L’assassinat du Duc de Guise» beisteuerte.

Der Grundstein der Filmmusik, wie wir sie heute kennen, wurde dann aber 1927 mit der Veröffentlichung des ersten Tonfilms «Der Jazzsänger» gelegt. Dadurch ergaben sich neue erzählerische Mittel, welche die Komponisten anfangs jedoch nicht zu nutzen wussten: Sie komponierten weiterhin möglichst viel Musik, ohne dabei genauer auf die im Film gezeigten Szenen einzugehen. Nicht so Max Steiner, der 1933 mit seinem Soundtrack zu King Kong die Filmmusik grundlegend veränderte. Er verstand es, die Musik an den Gegebenheiten des Films zu orientieren und kreierte so eine einzigartige Spannung, die den Zuschauer in ihren Bann zog – der klassische Hollywood-Sound war geboren.

Von Star Wars und Spaghettiwestern

Doch auch die Filmmusik unterliegt dem Wandel der Zeit, und so wichen die sinfonischen Klänge schon bald poppigeren und rockigeren Rhythmen, die in den 1950er-Jahren ein vermehrt jugendliches Publikum in die Kinos locken sollten. Es sollte jedoch nicht lange dauern, bis die Orchestermusik im Film mit Star Wars: Eine neue Hoffnung von 1977 ein fulminantes Comeback feierte: Wagnersche Klänge bildeten den vom Komponisten John Williams intendierten Gegenpol zum futuristischen Weltraum-Setting und sorgten für die perfekte Dramaturgie. Zudem wurde die Leitmotiv-Technik von Richard Wagner aufgegriffen, die bestimmten Protagonisten oder Situationen eine prägnante Erkennungsmelodie zuordnet. Unverkennbar ist zum Beispiel der “Imperial March”, der die Ankunft des Bösewichten Darth Vader ankündet.

Welch dominierende Rolle die Filmmusik einnehmen kann, demonstrierte der italienische Großmeister Ennio Morricone, der den bahnbrechenden Soundtrack zu den legendären Spaghetti-Western von Sergio Leone lieferte. Morricones Musik war so stilprägend, dass viele Szenen in deren Rhythmus geschnitten, oder wenn nötig sogar neu abgedreht wurden. Gerne erinnert man sich zurück an die berühmteste Mundharmonika der Filmgeschichte, die auf Morricones Konto geht: In Spiel mir das Lied vom Tod von 1968 lieferte sie die an Dramatik nicht zu überbietende Melodie zum finalen Showdown.

Recycling und das Spiel mit den Emotionen

Was die momentane Entwicklung der Filmmusik angeht, herrschen geteilte Meinungen. Viele kritisieren die fehlende Innovativität, die den heutigen Soundtracks von Hollywood-Blockbustern anhaftet. Auf Experimente mit ungewissem Ausgang wird verzichtet. Oftmals benutzen Regisseure schon während des Drehs einen bereits existierenden Soundtrack, der ihren Vorstellungen entspricht und mit dem sie den Film unterlegen. Dadurch wird die Kreativität der Filmmusikkomponisten eingeschränkt, da sie versuchen, möglichst nahe an der Vorlage zu bleiben und so den Wünschen des Regisseurs zu entsprechen. Zudem können die Emotionen der Zuschauer durch den gezielten Einsatz von Musik ziemlich präzise gesteuert werden, was sich die Filmfabrik Hollywood zunutze macht, indem sie dem Publikum immer wieder dieselben musikalischen Motive vorsetzt.

Fluch der Karibik ist wie Led Zeppelin, von einem Orchester gespielt.– Mitchell Leib in «Score»

Nichtsdestotrotz sorgt Filmmusik auch heutzutage immer noch für Faszination. In Score: A Film Music Documentary kommen berühmte Filmmusikkomponisten wie Hans Zimmer (Interstellar), Danny Elfman (Alice im Wunderland) oder John Williams (Star Wars) zu Wort, die leidenschaftlich über die Kunst der Filmmusik sprechen, aber auch von Schwierigkeiten berichten, welche die Produktion eines Soundtracks mit sich bringt. Dabei versteift sich der Blick jedoch vor allem auf orchestrale Kompositionen und lässt andere Ansätze aussen vor. Mit Nine-Inch-Nail-Frontmann Trent Reznor ist dann aber auch noch ein Aushängeschild der "neuen" Generation vertreten, der mit seinem minimalistisch elektronischen Score zu The Social Network mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.

Score zollt der Wichtigkeit der Musik im Film ihren Tribut, indem die Dokumentation anhand von verschiedenen Beispielen durch die Geschichte der Filmmusik führt und aufzeigt, wieso ein mitreissender Score auch heute noch unabdingbar für gutes Kino ist.

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