Artikel4. Oktober 2017

Die Jugendjury des FFFH: «Aurore» und «M.» in der Kritik

Die Jugendjury des FFFH: «Aurore» und «M.» in der Kritik

Das Festival du Film Français D'Hélvetie bot auch dieses Jahr wieder fünf Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren die Gelegenheit, sich auf spannende Art näher mit der Welt des Kinos zu befassen. Unter der Leitung des Kinoprofis Thierry Luterbacher sichtete und beurteilte die Jugendjury fünf Filme aus der Auswahl des FFFH und schrieb jeweils eine Kritik zu den Werken - so auch zu den französischen Filmen «Aurore» und «M.».

Aurore

Jeder kennt eine Aurore

Filmkiritk von Gino Rösselet, Jury des Jeunes 2017

Jeder von uns kennt eine Aurore. Aurore ist deine Mutter. Sie ist aber auch deine Grossmutter. Genau so könnte sie auch deine Tochter, deine Enkelin oder deine beste Freundin sein. Jeder von uns ist in gewissermassen ein bisschen Aurore. Alle kennen eine Aurore und wir sehen sie jeden Tag auf der Strasse. Aurore ist die nette Frau von neben an. Nur haben wir uns noch nie gefragt was sich hinter diesen Frauen verbirgt. Bis jetzt.

Der Film Aurore von Blandine Lenoir gibt einen einzigartigen Einblick in das Leben der Frau in den Mittfünfziger. Aurore ist eine Frau die mitten in der Menopause steckt - und das ist nicht ihre einzige Krise. Die Kinder verlassen das Haus, werden erwachsen und kriegen selber Kinder. Und das ist nicht genug. Ihr Job ist nicht mehr das, was er einmal war und so sieht sie sich gezwungen ihn zu künden und endet auf dem Arbeitsamt. Und auch das Spiel mit der Liebe spielt verrückt. Die geschiedene Frau trifft nach Jahren wieder ihre Jugendliebe, dieser weiss aber nicht so genau ob er mit Aurore zusammen sein kann. Das klingt alles nach einer ziemlichen Tragödie: Aurore aber trägt das alles mit Fassung und einer gesunden Portion Optimismus.

Der Film brilliert durch seine genaue Beobachtung. – Gino Rösselet

Und so wirkt auch der Film. Er ist wie ein leichtes Club Sandwich. Sättigend und trotzdem leicht und vor allem eines, echt. Der Film brilliert durch seine genaue Beobachtung. Es braucht nicht immer skurrile und spezielle Storys. Manchmal trifft man die guten Geschichten auf dem Trottoir. Und so eine Geschichte bietet Aurore. Der Film glänzt durch seine Leichtigkeit und seinen jugendlichen Humor. Und obschon die Thematik der Menopause auf den ersten Blick nur etwas für Frauen der oberen Semester zugeschnitten scheint, so denke ich, dass wir alle etwas davon haben. Die Menopause ist dabei nur Ausdruck einer Lebensphase der Veränderung, man könnte sie ersetzen durch die Pubertät, die Adoleszenz oder die Pensionierung. Und so hat jeder sein Stück Aurore in sich. Jeder von uns ist in gewissermassen ein bisschen Aurore.

M.

Rares und wahrhaftiges Kino

Filmkritik von Jascha Liechti, Jury des Jeunes 2017

Der von der Jugendjury des FFFH ausgezeichnete Film M von Sara Forestier, erzählt eine zutiefst berührende Geschichte über die Liebe und das Kommunizieren. Ein Kinofilm, der an manchen Stellen so zerbrechlich und feinfühlig wirkt, dass es einem unter die Haut geht und man schier überwältigt wird. Das ganze Setting in einem ärmeren Viertel einer Grossstadt und der wild wirkende Bus, der als Wohnung dient, erzeugen eine fesselnde Atmosphäre, die einen nicht so schnell loslässt.

Die schüchterne, sich für ihr Stottern schämende, stumme Lila (sagenhaft gespielt von Sara Forestier), verliebt sich in den Kamikazefahrer Mo (grossartig verkörpert von Redouanne Harjane). Durch ihn bekommt sie den Mut zu sprechen, sowie sich gegen ihren tyrannisierenden Vater zur Wehr zu setzen und bewegt Mo dazu, seinen Risikosport aufzugeben. Doch ein Risikosport ist wie eine Droge, die er nicht einfach so aufgeben kann. Jedoch ist das nicht das einzige Problem mit dem sich Lila befassen muss.

M erzählt in einem atemberaubenden Stil aus Fragilität und Gewalt eine bombastische Geschichte, die man nur selten im Kino zu sehen bekommt. – Jascha Liechti

Sara Forestiers filmische Sprache aus ruhigen, perfekt gestalteten Bildern kreiert eine Atmosphäre aus Spannung und Zerbrechlichkeit und lässt den Film zu einem einzigarten Werk werden. Schnelle Momente werden von ihr mit einer ruhigen Subtilität gefilmt, ohne einen Anflug von Hektik. Der ganze Film verzichtet auf langfädige Diskussionen und anstelle von Nichtigkeiten wird seiner Atmosphäre und seinem Charme Platz gelassen, um auf den Zuschauer zu wirken.

M erzählt in einem atemberaubenden Stil aus Fragilität und Gewalt eine bombastische Geschichte, die man nur selten im Kino zu sehen bekommt. Der Film handelt nicht nur von einer grossen Liebe, sondern auch von der Schwierigkeit des Kommunizierens und der Überwindung des Schämens für etwas, was man nicht kann. Auch spricht er ein Thema wie das Stottern an, was nur selten in Filmen behandelt wird. Ohne weiteres finde ich, dass Sara Forestier mit M einen erstklassigen Debutfilm gelungen ist, den ich persönlich als „kleines Meisterwerk“ bezeichnen würde.

Die Jungkritiker Gino Rösselet (links) und Jascha Liechti (rechts).

Im Bild: Gino Rösselet (links) und Jascha Liechti (rechts) der diesjährigen Jugendjury. Mehr Informationen zur Jugendjury des FFFH und die weiteren Filmkritiken gibt es hier.

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