Kritik23. Mai 2023

Cannes 2023: «L'Amour et les forêts»: Der Horror einer Ehe

Cannes 2023: «L'Amour et les forêts»: Der Horror einer Ehe
© Agora Films

Virginie Efira und Melvil Poupaud brillieren in Valérie Donzellis neuem Film «L'Amour et les forêts», der auf einem Roman von Eric Reinhardt basiert.

«L'Amour et les forêts»: Der Horror einer Ehe

Valérie Donzelli | 105 min.

Ein Text von Marine Guillain

Der Film erzählt die Geschichte einer Frau, die in einer Ehehölle gefangen ist, aus der sie nicht ausbrechen kann. Als sie auf einer Party Grégoire Lamoureux kennenlernt, hat Blanche gerade eine Trennung hinter sich und ist nicht sehr geneigt, auszugehen oder neue Bekanntschaften zu machen. Dieser flirtet offen mit ihr, aber nicht plump, sondern mit Charisma und Witz; der Ausgangspunkt für eine scheinbar perfekte Beziehung.

Sinnliche Sexszenen, ein Ausflug zu zweit... Blanche und Grégoire sind glücklich. Dennoch ist die Spannung greifbar und das Publikum spürt sofort, dass etwas nicht stimmt. Von Caen (in der Normandie) ziehen sie nach Metz (in Lothringen), weit weg von Blanches Familie und ihren anderen Freunden und Bekannten. Der freundliche Lamoureux wird immer besitzergreifender und kontrollsüchtiger, während Blanche nicht versteht, was mit ihr geschieht...

Mit Virginie Efira und Melvil Poupaud hat Valérie Donzelli wahrscheinlich eines der besten Duos ausgewählt, die das französische Kino derzeit zu bieten hat. Die beiden funktionieren hervorragend als Paar, wobei jeder von ihnen mit grosser Hinghabe einen Charakter verkörpert, der alles andere als einfach zu spielen ist. Das Drehbuch von «L'amour et les forêts», das gemeinsam mit dem Autor des Romans Eric Reinhardt und mit Audrey Diwan (Goldener Löwe in Venedig 2021 mit «L'Événement») geschrieben wurde, geht an die Nieren. Es zeigt auf brillante Weise die Spirale, den Prozess der verdrehten Manipulation, der sich ganz langsam einstellt, so dass es Zeit braucht, um sich dessen bewusst zu werden. Blanche ist zunächst geblendet, dann gefangen in dieser teuflischen Umklammerung, in dieser Isolation, aus Scham unfähig, mit jemandem zu sprechen.

«L'Amour et les forêts» ist eine erschreckende Erfahrung. Zu sehen, wie weit die Dinge gehen, und gleichzeitig zu erkennen, dass diese Situation auf den ersten Blick jedem passieren könnte, ist beängstigend. Die Inszenierung erweist sich als äusserst effizient und die Atmosphäre des Thrillers sorgt dank der gut gehaltenen Spannung manchmal für ein wenig Angstschweiss. Und wenn Valérie Donzelli die Kamera - und damit die Zuschauerinnen und Zuschauer - außerhalb des Hauses platziert und durch die Glasscheibe beobachtet, wird das Gefühl des Eingeschlossenseins und Erstickens noch verstärkt. Alles in allem erzeugt «L'amour et les forêts» heftige und intensive Emotionen und lässt das Publikum nicht völlig unversehrt zurück.

4.5 von 5 ★

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