Kritik27. Februar 2023

Berlinale 2023: «The Shadowless Tower»: Familienepos in der Kleinstadt

Berlinale 2023: «The Shadowless Tower»: Familienepos in der Kleinstadt
© Lu Films

Aus China kommt die Geschichte einer zerrütteten Familie und das Porträt eines mittelaltrigen Mannes, der in einer Sinnkrise steckt.

«The Shadowless Tower»: Familienepos in der Kleinstadt

Zhang Lu | 144 Min.

Ein Text von Teresa Vena

Herr Gu (Xin Baiqing) verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Restaurantkritiken. Offenbar hat er nicht sehr viele Leser, auch wenn vermutlich ein wenig mehr als für seine Gedichte. Das ist einer der Gründe für seine Depression, die sich in einem übermässigen Alkoholkonsum manifestiert. Gu ist geschieden und hat eine kleine Tochter, die aber bei seiner Schwester (Li Qinqin) und seinem Schwager (Wang Hongwei) lebt. Für die Tochter hat er nicht viel Zeit, entsprechend weiss er nicht sehr viel über ihre Wünsche. Zum Glück hat er seinen Schwager, der ihm immer wieder auf die Sprünge hilft, ihm die richtigen Geschenke besorgt und mit den wichtigsten Informationen versorgt. Es ist auch dieser, der Gu erzählt, dass Gus Vater (Tian Zhuangzhuang), der vor über 30 Jahren die Familie verlassen hat, sich nichts sehnlicher wünscht, als sich mit dem Sohn zu versöhnen.

Der chinesische Regisseur Zhang Lu ist schon öfter Gast bei der Berlinale gewesen. Sein Leitthema ist die Familie. Auch in diesem 144 Minuten langen, aber nicht schwerfälligen, sondern weitgehend leichtfüssigen Epos, geht es um aufgebrochene traditionelle soziale Strukturen, alte Befindlichkeiten, die zu tiefsitzenden, offenbar unüberwindbaren Verletzungen führen können und die nicht gänzlich definierbare Sehnsucht nach einem anderen Leben. Insgesamt ist der Film ein wenig harmlos und im Drehbuch zu platt. Der Motivation des Protagonisten kann man nur schwer folgen, wenn er zwischen Besäufnis und dem Versuch, einer jungen Fotografin (Huang Yao) nachzustellen, hin- und herschwankt. Auch der wiederholte Bezug nach Paris als Zentrum der Künste und der freigeistigen Künstler wirkt anbiedernd.

Für die 2,5 stündige Dauer des Films bietet der Stoff nicht genug Spannung oder Tiefe. Das ist schade, denn Ansätze hätte es genug dafür gegeben. Im Film kommt nämlich gleich eine ganze Reihe von faszinierenden Nebenfiguren vor. Gerne hätte man mehr von Gus Schwager gesehen, der das humorvolle Element in die Geschichte bringt und von Wang Hongwei hervorragend gespielt wird. Eine weiterer interessanter Charakter ist Gus Nachbar, ein junges Modell, das im Morgengrauen im Hausflug Gehen übt oder auch Gus Vater, der eine tiefe Melancholie ausstrahlt, wenn er am Strand seiner kindlichen Freude am Drachensteigen nachgeht. Eine Straffung hätte es an sich gebraucht, um mehr Stimmung zu erzeugen. Die philosophischen Betrachtungen, die «The Shadowless Tower» zum Teil herstellt, unterscheiden sich leider nicht von solchen, die man in durchschnittlichen Glückskeksen wiederfinden würde. Dazu kommt eine moralisierende Tendenz, die man fast einer Zensurkonformität zusprechen könnte.

3 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.

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