Artikel7. März 2023

Schreib über das, was du kennst: 10 autobiografische Filme berühmter Filmschaffender

Schreib über das, was du kennst: 10 autobiografische Filme berühmter Filmschaffender
© Universal Pictures Switzerland

Steven Spielbergs «The Fabelmans», der am 12. März mit sieben Nominierungen ins Oscar-Rennen geht, ist nur einer von vielen sehr persönlichen Filmen grosser Regisseurinnen und Regisseure, die uns einen spannenden Einblick in ihre Kindheit oder Jugend erlauben. Manche dieser Filme sind pompös und etwas selbstverliebt, andere sind intime und schmerzvolle Porträts von Menschen, bevor sie mit Hollywood in Berührung kamen. Hier ist unsere Auswahl von 10 der eindrücklichsten Autobiografien berühmter Filmschaffender.

Ein Artikel von Gabriela Tscharner Patao

1. «Amarcord» (1973)

Federico Fellini

Der Teenager Titta (Bruno Zanin) kämpft mit seiner aufkeimenden Sexualität und hat ständige Auseinandersetzungen mit seinem Vater (Armando Brancia). Sein tägliches Leben verkommt zu einem Zirkus von Männerfantasien, politischen Machenschaften, religiösen Ritualen und verqueren Menschen.

Fellini wirft mit diesem Film einen kritischen, aber meist sentimentalen und bisweilen kuriosen Blick auf seine Jugend in Rimini, kurz nachdem Mussolinis faschistisches Regime die Regierung übernahm. Tittas Leben dient als Metapher für die Probleme des Landes zu dieser Zeit. Eine Flut von Erinnerungen strömen in «Amarcord» aus Fellinis Gedächtnis und machen aus dem Film weniger eine politische Aussage, als dass er eine Reihe grossartiger, wenn auch exzentrischer Figuren porträtiert, die die unendliche Energie und Menschlichkeit italienischer Menschen verkörpern. Der Film gewann 1975 den Oscar als bester fremdsprachiger Film.

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2. «Lady Bird» (2017)

Greta Gerwig

Gerwigs Regie-Erstling folgt der 17-jährigen Christine McPherson (Saoirse Ronan), die sich in einer Art Rebellion gegen die sozialen Regeln ihrer Heimatstadt Sacramento und ihrer liebevollen, aber überwältigenden Mutter (Laurie Metcalf) selbst den Namen Lady Bird gegeben hat. Ihr mangelnder Plan für die Zukunft und dass sie sich zwischen zwei Jungs, dem süssen Danny (Lucas Hedges) und dem coolen Kyle (Timothée Chalamet), hin und her gezogen fühlt, dominiert Lady Birds Leben.

Gerwig bezeichnet ihren Regie-Erstling als halb-autobiografisch und behauptet, dass keine der Dinge, die in «Lady Bird» beschrieben werden, tatsächlich passiert seien, dass im Zentrum des Films aber ein Kern der Wahrheit liege, der ihr bekannt sei. Gerwig erinnert uns meisterhaft daran, wie schwer der Sprung ins Erwachsenenleben sein kann. Der Film war zwar kein Kassenschlager, wurde aber zum Kritikerliebling und wurde für fünf Oscars, u.a. für das beste Originaldrehbuch und die Regie nominiert.

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3. «American Graffiti» (1973)

George Lucas

An einem heissen Spätsommerabend in den frühen 60er-Jahren in Modesto in Nordkalifornien verbringt eine Gruppe frisch-gebackener High School Absolventen die letzte gemeinsame Zeit, bevor sie das Leben in alle Windrichtungen verschlägt.

«American Graffiti» beweist, dass George Lucas feinfühligere und intimere Geschichten erzählen kann als die Weltraumopern, die ihn bekannt gemacht haben. Der Film zeigt die Faszination dieser ländlichen Jugend für Sex, Rock ‘n Roll und Dragracing – Strassenrennen mit frisierten Autos. Gleich drei verschiedene Figuren, der streberische Terry «The Toad» Fields (Charles Martin Smith), der coole John Milner (Paul Le Mat) und der erfolgreiche Curt Henderson (Richard Dreyfuss) sollen verschiedene Stadien von Lucas' frühem Leben in Modesto repräsentieren. «American Graffiti» wurde mit einem Budget von nur 777.000 Dollar realisiert und machte seit den 70er-Jahren über 200 Millionen Franken Umsatz. Das macht ihn zu einem der profitabelsten Filme aller Zeiten.

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4. «Roma» (2018)

Alfonso Cuarón

Der Schwarz-Weiss-Film «Roma» beschreibt das schwierige Leben der Haushälterin Cleo (Yalitza Aparicio) in einer mittelständischen Familie im Mexiko City der frühen 1970er-Jahre.

Während Cuarón schon mit früheren Filmen Einblicke in seine Jugend gab, ist «Roma» wohl sein persönlichster. Das Ende der Ehe seiner Eltern und die enorme Rolle, die damals sein Kindermädchen spielte, das ihn aufgezogen hat, ist eine faszinierende Studie über die Klassenunterschiede in Mexiko. Cleo ist eine indigene Mixtec, eine Ureinwohnerin, die bis heute zu den randständigen Personen des Landes gehören. Indem er ihre Geschichte erzählt, gibt er seinem Kindermädchen und vielen anderen benachteiligten Menschen in Mexiko eine Stimme. Der Film gewann drei Oscars, u.a. für die beste Regie und Kamera.

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5. «Der Tintenfisch und der Wal» (2005) / «Marriage Story» (2019)

Noah Baumbach

In «Der Tintenfisch und der Wal» sind der 16-jährige Walt (Jesse Eisenberg) und der 12-jährige Frank (Owen Klein) in den 80er-Jahren von der Scheidung ihrer Eltern (Jeff Daniels und Laura Linney) stark betroffen. «Marriage Story» hingegen betrachtet eine Scheidung aus der Sicht der Eltern. Das Ende der Ehe von Nicole (Scarlett Johansson) und Charlie Barber (Adam Driver) zeigt die sozialen, psychologischen und finanziellen Auswirkungen einer Scheidung aus erwachsener Sicht.

Noah Baumbach ist einer der Regisseure, die mehr oder weniger nur autobiografische Filme machen. Zu Beginn glaubte er nicht, dass das Thema Scheidung eine gute Grundlage für einen Film war, aber «Der Tintenfisch und der Wal» sorgte für eine Wiederbelebung seiner Karriere, die abflachte, nachdem er in den 90er-Jahren als das nächste Wunderkind des Films gekürt wurde. «Marriage Story» basiert auf Baumbachs eigener Scheidung von der Schauspielerin Jennifer Jason Leigh («Fast Times at Ridgemont High», «Single White Female») und wurde mit seinen sechs Oscar Nominierungen und dem Gewinn von Laura Dern als beste Nebendarstellerin sein bislang erfolgreichster Film. Laut Baumbach hat seine Ex-Frau den Film gesehen. Sie soll «Marriage Story» mögen.

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«Der Tintenfisch und der Wal» verfügbar on Demand auf Apple TV

«Marriage Story» verfügbar auf Netflix

6. «Sie küssten und sie schlugen ihn» (1959)

François Truffaut

Der 14-jährige Jean-Piere Léaud spielt Antoine Doinel, einen französischen Jungen, der sowohl in der Schule als auch im Leben in Paris ständig in Schwierigkeiten gerät. Antoine kommt aus einer zerbrochenen Familie und wird von einem Familienmitglied zum anderen gereicht. Seine einzige Ausflucht ist das Kino.

Dieser Klassiker der französischen Nouvelle Vague ist Truffauts Erstling und basiert auf seinem Leben und denen seiner Freunde. Léaud wurde später zu Truffauts Muse, mit der er im Laufe von 20 Jahren in der Rolle des erwachsenen Antoine Doinel vier weitere Filme wie «Geraubte Küsse» (1968) oder «Liebe auf der Flucht» (1979) drehte. Noch heute gehört Truffauts erster Film, eine eindrückliche Schwarz-Weiss-Charakterstudie, zu den Favoriten vieler Filmschaffender und ist auf mehreren Listen der besten Filme aller Zeiten zu finden.

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7. «Belfast» (2021)

Kenneth Branagh

Der 9-jährige Buddy (Jude Hill) wächst zu Beginn der bürgerkriegsähnlichen religiösen und politischen Machtkämpfe im Nordirland der 1960er-Jahre auf. Als sich sein Vater (Jamie Dornan) mit dem Gedanken trägt, mit seiner protestantischen Familie Irland zu verlassen, gerät Buddys Leben aus den Fugen.

Branaghs Film profitiert von den Erfahrungen, die der Regisseur und Schauspieler in seiner eigenen Kindheit in Nordirland gemacht hat. Der Film zeigt die Probleme des Landes durch Buddys Kinderaugen, was die politischen Konflikte im Vergleich zu seiner Liebe für seine Grosseltern (Judi Dench und Ciarán Hinds) und ein katholisches Mädchen namens Catherine (Olive Tennant) verblassen lässt. Der Film gewann bei diversen Filmfestivals den Publikumspreis und war 2022 für sieben Oscars nominiert, von denen er für das beste Originaldrehbuch gewann.

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8. «Fanny und Alexander» (1982)

Ingmar Bergman

Die Geschwister Fanny (Pernilla Allwin) und Alexander (Bertil Guve) leben eine unbeschwerte Kindheit, bis ihr Vater (Allan Edwall) unerwartet stirbt und die Mutter (Ewa Fröling) sich mit dem Bischof (Jan Malmsjö) neu vermählt, der ein äusserst strenger Stiefvater ist. Als Alexander wiederholt von ihm bestraft wird, will die Mutter ihre Kinder wegschicken.

Der letzte Film des schwedischen Filmemachers basiert auf seiner eigenen Kindheit in Uppsala. Alexander, Fanny und Stiefvater Edvard basieren auf Bergman selber, seiner Schwester Margareta und seinem Vater Erik Bergman. Ursprünglich als vierteiliges TV-Spiel konzipiert, existiert der Film heute in einer auf Spielfilmlänge gekürzten Version. Im Vergleich zu Bergmans anderen, schwermütigen Filmen brilliert «Fanny und Alexander» durch die Wärme der Geschwister und wird nur durch den Einfluss der Erwachsenen getrübt. Einer der eindrücklichsten Momente des Films kommt in Form von Alexanders Faszination mit einer Wunderlampe, die auf Bergmans spätere Liebe für den Film hinweist. Der Film gewann 1984 vier Academy Awards für den besten fremdsprachigen Film, Kamera, Ausstattung und Kostüme.

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9. «Mid90s» (2018)

Jonah Hill

Der 13-jährige Stevie (Sunny Suljic) wächst mit seiner alleinerziehenden Mutter (Katherine Waterston) und seinem Psychopathen von einem Bruder (Lucas Hedges) im Skateboard Milieu der 90er-Jahre in einem heruntergekommenen Viertel von Los Angeles auf.

Autor und Regisseur von «Mid90s» ist Schauspieler Jonah Hill («Superbad», «The Wolf of Wall Street»), der schon als Kind Drehbücher für die TV-Serie «The Simpsons» schreiben wollte. Hill beteuert, dass der Film lose auf seiner eigenen Kindheit basiere. Da er aber als Sohn reicher Eltern in der wohlhabenden Gegend von Cheviot Hills aufwuchs und auf die teuersten Privatschulen von Los Angeles ging, dürfte vieles in «Mid90s» entweder erfunden oder anderen Leuten passiert sein. Hill war für diesen Film 2019 als Regisseur bei der Berlinale nominiert.

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10. «Almost Famous» (2000)

Cameron Crowe

Der 15-jährige Musikfan William Miller (Patrick Fugit) geht in den 70er-Jahren mit der Band «Stillwater» auf Tournee, um darüber einen Artikel für die Musikzeitschrift «Rolling Stone» zu schreiben. Auf dieser Reise lernt er Sex, Drogen und die Tücken des Rock ’n’ Roll kennen.

Cameron Crowe wurde als Teenager durch eine Reihe von Zufällen Journalist für «Rolling Stone» und schrieb über «The Allman Brothers», «Led Zeppelin» und «Lynyrd Skynyrd», die er im Film zu einer fiktiven Band kombinierte. Obwohl «Almost Famous» ein Flop an der Kinokasse war, ist der Film ohne Zweifel einer von Crowes besten, der mit vier Oscar Nominierungen belohnt wurde und den Preis für das beste Drehbuch gewann. «Almost Famous» ist ein Liebesbrief an die Rock-Szene der 70er-Jahre und eine Sparte von Journalismus, die durch das Internet und die Selbstdarstellung der Stars auf Instagram verdrängt wurde. Crowe, der auch mit anderen, leicht autobiografischen Filmen wie «Singles» oder «Say Anything» Erfolg hatte, könnte das Sprichwort geprägt haben, «Schreib über das, was du kennst.»

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