CH.FILM

Der grosse Sommer Schweiz 2015 – 98min.

Filmkritik

Der alte Mann und der kecke Knabe

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Eine Reise, ein Abschied, ein Vermächtnis: In seinem letzten Film spielt der beliebte Volksschauspieler Mathias Gnädinger einen ehemaligen Schwingerkönig, der einen zehnjährigen Jungen nach Japan begleitet, der unbedingt Sumo-Ringer werden will. Der Zürcher Filmer Stefan Jäger inszenierte ein modernes Märchen.

Was hat Sumo mit Schwingen zu tun? Mehr als man denkt. Die massigen (quasi gemästeten) Kämpfer versuchen in einem Ring-Kampf sich gegenseitig zu bodigen. Wer zu Boden geht oder aus dem sandbedeckten Kreis gedrängt wird, hat verloren. Sumo, mit vielen Zeremonien verbunden, ist in Japan eine Kult-Sportart. Übers Schwingen muss man hierzulande keine Worte verlieren. Auch hier spielen Sägemehl, ein Kreis und bestimmte Griffe eine Rolle. Im Gegensatz zu den Sumo-Kämpfen, die oft nur wenige Sekunden dauern, genügt es beim Schwingen nicht, den Gegner ins Sägemehl zu drücken. Er muss mit beiden Schulterblättern am Boden liegen.

Anton Sommer war ein Meister seines Fachs, war einst Schwingerkönig. Er trat plötzlich ab. Man weiss nicht genau, was ihn dazu bewogen hat. Wir lernen ihn jetzt als grantelnden Mann kennen, der sich über den zehnjährigen Hito (Loïc Sho Güntensperger) aufregt, der im Haus herumtollt. Das Wohnhaus gehört Hitos Grossmutter, und Anton ist ein Untermieter. Als die Hausbesitzerin stirbt, erbt der Junge japanischer Herkunft die Liegenschaft. Irgendwie spürt er, dass Sommer früher anders, zugänglicher und lebensfroher war und Berühmtheit erlangt hatte. Und so fordert der Bub den alten Mitbewohner auf, ihn nach Japan zu begleiten. Er will den Spuren seines Vaters folgen und Sumo-Kämpfer werden. Als Sommer sich weigert, setzt Hiro ihn unter Druck, zwingt ihn quasi zu dieser Fernostreise. Und so sind der sture Pensionär und der neugierige, kecke Knabe im fremden Land mehr denn je aufeinander angewiesen. Man stöhnt, staunt und schlägt sich mehr oder weniger durch. Die Geldbörse kommt abhanden. Man ist auf Goodwill fremder Leute angewiesen, wobei sich die verwitwete Gastgeberin Masako (Mitsuko Baishô) als besonders liebenswürdig und liebenswert erweist und beim Urschweizer Sommer stille Saiten zum Klingen bringt. Irgendwie schafft es das ungleiche Duo aus der Schweiz zur Insel, wo es eine berühmte Sumo-Schule gibt. Die Reise zur fremden Kultur wird zum Brückenschlag und der Beginn einer grossen Freundschaft.

Regisseur Stefan Jäger bemüht sich, diese warmherzige Annäherung zwischen Alt und Jung, Schweizerischem und Fremden schmackhaft zu machen, ist aber vor allerlei Klischee in Japan und dramaturgischen Sprüngen nicht gefeit. Der Filmtitel Der Grosse Sommer hat zwei Bedeutungen: Einerseits läuft der alte Schwinger Sommer zur grossen Altersform auf, andererseits wird dieser japanische Sommer für Mathias Gnädinger zum grossen Abschied, eher erahnt denn bewusst. Das moderne Märchen wurde von den Autoren Theo Plakoudakis und Marco Salituro ganz auf den Vollblutschauspieler Mathias Gnädinger zugeschnitten. Und der trägt denn auch trotz kleiner Gehbeschwerden fast leichtfüssig den Film auf seinen Schultern. Die Liebesgeschichte einer Findung und Aufarbeitung wird von Emotionen geprägt, erst recht dem Tode Gnädingers nach den Dreharbeiten. Der Film wurde zur Hommage an den beliebten Fahnder «Hunkeler», den Heimkehrer (Sternenberg), den fetzigen Kumpan (Usfahrt Oerlike), an den grossen Volksschauspieler, der am Karfreitag 2015 verstarb.

20.03.2024

4

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Kommentare

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meyerluk

vor 3 Jahren

überissene Story ,
keine Authentizität


Kinobegleiter

vor 7 Jahren

Mathias Gnädinger einer der grössten der die Schweiz je auf die Bühne und in den Film brachte!
Hito (Loïc Sho Güntensperger) legt hier Grundlagen für weitere Taten.
Der Film selber bringt emotionales und Erinnerungen herauf, das Filmschaffende ansonst sucht hochkarätiges, turtelt jedoch im Schweizer Durchschnitt herum.Mehr anzeigen


cinemany

vor 7 Jahren

Grosse Enttäuschung. Nicht wegen Gnädinger, der spielt sich selbst wie immer und macht Freude. Auch der Knabe ist wunderbar. Aber der Film als ganzes kommt für uns rüber als sei er von einer Filmschule im ersten Jahr gemacht worden. Haupttext ist das Gefluche von Mathias, das was eigentlich Märchen sein sollte, ist völlig an den Haaren herbei gezogen, keine Poesie, kein roter Faden, ein völliges Chrüsimüsi, völlig konstruiert, kein Flow, aber, aber..... Da wäre für Gnädinger's "Letzten" wirklich etwas Besseres zu wünschen gewesen. Schade, schade......Mehr anzeigen


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