Als wir träumten Frankreich, Deutschland 2015 – 117min.

Filmkritik

Die grosse Orientierungslosigkeit

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Eigentlich ist Regisseur Andreas Dresen ein Meister der leisen Töne. Bei seinem neuen Film Als wir träumten hingegen dreht er ordentlich auf und erzählt mit Vollgas von den ersten Jahren nach dem Mauerfall.

Rico, Dani, Paul, Mark und Pitbull sind beste Freunde. Aufgewachsen in der DDR erleben die Jungs nun die Post-Wendejahre als Jugendliche am Stadtrand von Leipzig. Die Fünf verbringen jede freie Minute miteinander und genießen ihr Leben in vollen Zügen: Sie ziehen durch die Gegend, saufen, nehmen Drogen, klauen Autos und unternehmen Spritztouren. Eines Tages beschließen sie, einen illegalen Club zu eröffnen, haben aber bald den ersten Stress mit der hiesigen Neonazi-Bande. Die Zukunft des Clubs ist ungewiss, aber immerhin haben die Jungs noch ihre Träume. Doch die Realität verläuft in anderen Bahnen.

Fliegende Fäuste, quietschende Reifen und splitterndes Glas – Als wir träumten strotzt nur so vor kanalisiertem Testosteron. Hier wird geprügelt, geflüchtet, geklaut, geboxt und zwischendurch die Freundschaft beschworen. Für seine Verhältnisse hat Andreas Dresen einen ungewöhnlich lauten Film gedreht, der in seiner körperlichen Unmittelbarkeit zwar beeindruckt, aber den Zuschauer letztlich unbefriedigt zurücklässt.

Die große Orientierungslosigkeit der Wendejahre soll das Thema sein und so gibt es immer wieder Rückblicke auf die Kindheit der Teenager, auf die Anfänge ihrer Freundschaft als junge Pioniere im Schulsystem der DDR. Es sind gerade diese Szenen, die das Gerüst der zeitlichen Verankerung krampfhaft legitimieren sollen, aber durchaus verzichtbar gewesen wären. Denn der Film hat eine seltsam unpolitische Erzählhaltung, die eine konkrete Datierung eigentlich überflüssig macht. Das Flirren der Nachwendezeit, das Schwanken zwischen Resignation und Utopie weicht hier einem allgemein gültigen jugendlichen Übermut, gepaart mit pubertärer Zukunftsangst. All die Prügeleien und der kleinkriminelle Blödsinn, den die Jungs veranstalten, erscheinen als jugendliche Ausbruchsversuche gegenüber den gesellschaftlichen Zwängen, so wie sie seit Generationen stattfinden.

Auch werden Themen wie der starke Rechtsruck jener Zeit einfach als Tatsache dargestellt, die Neonazis sind welche, die den Jungs das Leben schwer machen, Gegenspieler, die für die Dramaturgie benötigt werden, so wie Asterix die Römer braucht. Überhaupt reißt der Film zu viele Themen an, ohne sich wirklich darum zu kümmern: Rechtsradikalismus, die Anfänge der Technoszene, Drogensucht, Orientierungslosigkeit, all das wird angeschnitten. Einzig das Thema Freundschaft wird mit viel Hingabe und zahlreichen "Du bist mein Bruder"-Bekundungen erzählt. Das passiert durchaus glaubwürdig und hat großartige Momente, und auch die jungen Darsteller sind durch die Bank wunderbar besetzt. Aber dennoch fehlt dem Film die sonst so für Dresen typische feinsinnige Doppelbödigkeit, die dem Alltäglichen seine Poesie, seine Komik und seine Tragik entlockt.

18.02.2024

3

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Kommentare

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Patrick

vor 9 Jahren

Rauher Einblick in die DDR-BRD Jugend, das famos gespielt ist aber auch langatmig daher kommt. In einer kleinen Rolle ist Ruby o Fee zu sehen bekannt aus dem Film Die Schwarzen Brüder.


luska83

vor 9 Jahren

flache dialoge, hundertmal kopierte klischeebilder und unerträglicher kitsch. die charaktere bleiben bis zum schluss konturlos bis zur verwechselbarkeit. die szenen wirken wie eine aneinanderreihung von willkürlichem klamauk. glaubwürdigkeit vermag sich selten zu entwickeln.

wenn dieser film ironisch sein wollte, dann wäre er ziemlich verkrampft bemüht ausgefallen. kurz: nerven schonen und zu hause bleiben.Mehr anzeigen


4231

vor 9 Jahren

Dresen war bisalng einer der verlässslichen, soliden Sozialrealisten des deutschen Kinos. Hier aber versucht er mit wild bewegter Kamera, hektischem Schnitt und grafisch "trendigen" Zwischentiteln eine vollkommen leere Geschichte fürs junge Zielpublikum aufzupeppen. Zwei quälend lange Stunden lang müssen wir fünf jugendlichen Volldeppen, die nichts zu tun, nichts zu sagen und nichts auszudrücken haben, beim Saufen, Grölen, Dreinhauen und Demolieren zuschauen. Verkauft wird uns das als "Bild der Orientierungslosigkeit". Give me break!Mehr anzeigen


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