Timbuktu Frankreich, Mali, Mauretanien 2014 – 97min.

Filmkritik

Miniaturen des Aufstands

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Es gibt Orte, da löst allein der Name eine Kette von Assoziationen aus: Paris, Tokio, Los Angeles – vor dem inneren Auge entstehen sofort deutliche Bilder. Aber es gibt auch Orte, die sind einem so gar nicht vertraut. Timbuktu gehört wohl dazu. Zwar kennen die meisten Leute seinen Namen, aber wissen wahrscheinlich nicht wirklich, wo er liegt. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Timbuktu in Europa zu einem Synonym für einen entlegenen, nahezu unerreichbaren Ort geworden ist.

Mit seinem Film Timbuktu bringt uns Regisseur Abderrahmane Sissako ein düsteres Kapitel der Oasenstadt in Mali näher, das dem menschlichen Fanatismus geschuldet war. Im Zentrum des Films steht Kidane, der sich mit seiner Frau Satima und seiner Tochter Toya in den Dünen unweit von Timbuktu niedergelassen hat. In der Stadt selbst haben die Dschihadisten die Kontrolle über das Leben übernommen. Selbst die profansten Dinge wie Musik, Lachen oder Fußball spielen sind verboten und wer sich nicht daran hält, der wird bestraft. Eines Tages gerät Kidane selbst ins Visier der Gotteskrieger und muss sich ihren Gesetzen stellen.

2012 eroberten Islamisten für ein knappes Jahr die Herrschaft in Timbuktu. Sissakos Film ist entschlossene Kritik an einem fanatischen Islamismus, der unter dem Deckmantel der Religion seine Gräueltaten begeht. Timbuktu erzählt von einer Gesellschaft, die sich der Kontrolle durch die Dschihadisten beugen muss. Aber er erzählt zugleich von ihrem Mut, sich immer wieder, in kleinen Situationen, dagegen aufzulehnen und mitunter zu widersprechen. Es sind Miniaturen des Auflehnens gegen ein Regime, das gewaltsam die Herrschaft an sich gerissen hat.

Dabei sind die Dschihadisten nicht eine anonyme marodierende Meute, die permanent mordend durch die Strasse zieht, es gibt auch immer wieder Momente, in denen sie allein sind und dann kleinlaut von dannen ziehen. Und es sind diese Momente, in denen mit feinem Humor der Lebenswille der Bewohner spürbar aufkeimt, in denen sie sich entschlossen den Feinden entgegenstellen. Auch wenn sie wissen, dass es ihnen schaden könnte. Es ihnen schaden wird. Denn Timbuktu bleibt realistisch.

Sissako vermeidet es, romantisch-verklärend vom Sieg des kleinen Mannes über die Dschihadisten zu erzählen, seine Momente der kleinen Triumphe sind auch immer Momente der Bedrohung. Zwar stellt er die Dschihadisten immer wieder bloß, zeigt ihre Doppelmoral, ihre Willkürlichkeit und auch ihre Dummheit, aber er verharmlost sie nicht. Auch wenn die Protagonisten von Timbuktu sich den Regeln der Islamisten nicht unterwerfen wollen und man ihren Freiheitswillen spüren kann, so wissen sie von der Macht der Terroristen. Und es wird deutlich, wie sich solch eine Macht langsam im Alltag, trotz Widerstände der Bevölkerung, etablieren kann. Lange wurde nicht mehr so erschreckend das perfide System der Unterdrückung offengelegt. Und lange wurde im Kino nicht mehr so berührend und mit warmherzigem Humor vom Humanismus und der Freiheit des Einzelnen erzählt.

15.12.2014

4

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Kommentare

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dulik

vor 4 Jahren

Der Film handelt von Dschihadisten, welche die Gegend Timbuktu in Afrika in ihrer Gewalt haben. Dinge wie Fussball oder Musik verbieten sie und wer sich nicht daran hält, wird gnadenlos bestraft. Das Drama ist eher zähe Kost, da die Handlung wenig Dialog, dafür aber fast zu viele ruhige Momente hat. Auch die Brutalität und was es heisst derart unterdrückt zu werden hätte man etwas intensiver behandeln können. Eine eigentlich interessante Thematik, deren Potenzial man aber nicht ausschöpfen konnte.
6/10Mehr anzeigen


Barbarum

vor 6 Jahren

In Sissakos "Timbuktu" kollidiert die Unmenschlichkeit von religiösem Fanatismus mit dem alltäglichen Leben. Der Film zeigt dies auf eine entschleunigte, zuweilen poetische Art. Allerdings wären Figurenzeichnung und Handlung doch noch ausbaufähig gewesen.


Filmenthusiast

vor 8 Jahren

Was die Menschheit nicht braucht: Militante Islamisten


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