Nabat Aserbaidschan 2014 – 105min.

Filmkritik

Wenn das Leben entflieht

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Die Bäuerin Nabat lebt in der Region Berg-Karabach, einer abseits gelegenen, aber umkämpften Gegend Aserbaidschans in den 90ern. Sie verliert Sohn und Mann und harrt aus. Dokumentarfilmer Elchin Musaoglu inszenierte eine existentielle Parabel über Einsamkeit und Verlorenheit, Menschsein, Leben und Tod – mit langem Atem.

Ein langer steinerner Weg vom kleinen Hof auf einer Anhöhe ins Dorf, den die Bäuerin alle paar Tage unter die Füsse nimmt. Nabat (Fatemeh Motamed Arya) bringt die Milch ihrer Kuh zum Händler. Damit verdient sie sich ein bisschen Lebensunterhalt. Ihr Mann liegt schwerkrank im Bett, und ihr Sohn ist 1992 im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien gefallen.

Nach dem Tod ihres Gatten Iskaneder (Vidadi Aliyev) sind der auf sich allein gestellten alten Frau nur das Haus, eine Kuh und ihre Erinnerungen an ihren Sohn geblieben, von dem sie nicht einmal ein Foto hat. Er erscheint ihr und verschwindet wieder wortlos. Wegen der Kriegsgefahr haben die Dorfbewohner den unsicheren Flecken in Berg-Karabach verlassen. Allein Nabat harrt aus, spricht mit ihrer Kuh Aghja wie mit einem Kind, klagt den Wolf an, der ums Haus streift – schweigt.

Mit den Dorfbewohnern, die um ihr Leben fürchten und ausgezogen sind, scheint auch das Leben gewichen. Allein Nabat gibt nicht auf, entzündet in den verlassenen Häusern Lampen, die nachts den Anschein erwecken, als würde das Dorf leben. Es sind kleine Zeichen, die Veränderung und Ende ankündigen. Als Soldaten das leere Dorf besetzen, wendet sich auch der Wolf ab, der Nabat tagelang beäugt, scheinbar bedrohlich Präsenz markiert – ohne Zeichen von Aggression.

Dokumentarfilmer Elchin Musaoglu, 1966 in Baku geboren, ist ein genauer und geduldiger Beobachter. Lange Kameraeinstellungen, Bilder wie Stillleben, leise Zeichen und grosses Schweigen – sein Spielfilm Nabat - wohl der erste, der in unsern Kinos aus Aserbaidschan zu sehen ist - wird zur existentiellen Parabel. Bedroht von Krieg, der sich im Geschosslärm äussert und immer näher kommt, verharrt die einsame Bäuerin, nimmt schier stoisch ihr Schicksal an, hofft auf die Heimkehr ihres (gefallenen) Sohnes – letztlich auf Erlösung.

In manchen Momenten erinnert Musaoglu an die poetisch-epischen Filme des Griechen Theo Angelopoulos. Die Stärke des unspektakulären Films liegt in der Stille, in seiner Intensität und Intimität – ein poetisches Bilderwerk, das am Ende vom Schnee zugedeckt wird.

20.05.2015

4

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