Métamorphoses Frankreich 2014 – 102min.

Filmkritik

Wenn Jupiter und Europa durch Mythen wandeln

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Wer verführt wen, warum und wozu? Christopher Honoré lässt sich von Ovids berühmten "Metamorphosen" inspirieren und schöne Leiber zum mythischen Tanz auflaufen - im Zeichen der Lust, der Liebe und des Lebens. Ein Film für Poeten, Schwärmer und Geschichtenerzähler.

Man kennt die Geschichte des göttlichen Schwerenöters Jupiter (Zeus), der sich in ein Tier verwandelte, um eine Frau zu erobern und zu verführen. So geschah es auch Europa, Tochter des phönizischen Königs Agenor. Der Gottvater verliebt sich, verwandelte sich in einen Stier und entführte die Angebetete nach Kreta. Dies ist nur eine Geschichte aus den 15 Büchern der Verwandlungen des römischen Dichters Ovid, der zur Zeit des Kaiser Augustus lebte. Seine "Metamorphosen" versammelten nicht nur bekannten Helden, Götter und Sagen, sondern boten auch Möglichkeiten, Kritik am Kaiser und der Gesellschaft zu üben.

Der Bretone Christophe Honoré pickte sich einige Episoden und Figuren heraus, führte sie zusammen und lässt sie in heutiger Zeit agieren. Wir erleben, wie das neugierige Schulmädchen Europa (Amira Akili) vor der Schule von Jupiter (Sébastien Hirel) abgefangen und zu einem Ausflug verführt wird - die Verlockung ist gross. Und so streifen die beiden durch Wälder und Auen, an Bächen und Flüssen entlang. Wir begegnen Bacchus (Damien Chapelle) und Bacchantinnen, Jupiters Gattin Juno/Hera (Mélodie Richard), der Jagd-Göttin Diana (Samantha Avrillaud), Orpheus und anderen Helden. Wir begegnen dem Ungeheuer Argus, Nymphen und Zwitterwesen. Wir erleben mit, wie Teiresias erblindet, um sehend zu werden. Und wir nehmen an Europas sinnlichen Vergnügungen und Verwandlungen teil.

Nun ist es nicht so, dass man in der griechisch-römischen Mythologie bewandert sein muss. Man kann die Episoden mit offenen Augen wie die junge Europa wahrnehmen, sich ergötzen oder abwenden. Mit seinem spielerisch-verklärten, idyllischen, aber auch wilden Film wollte Honoré nicht Ovids grosse Mythenwelt aufarbeite. Keine "tiefschürfende Rekonstruktion" sollte das sein, sondern leicht und ein bisschen lüstern Lust, Liebelei und Leben erkundend.

Ob Jupiter die verführt-entführte Europa in diesem Fall wirklich zur Frau und Königin macht, lassen wir mal offen. Seine Eskapaden, göttlich-menschlichen Streifzüge im heutigen Frankreich, haben ihren sinnlichen Reiz. Manche mögen die herbe, teilweise ungehobelte Darstellung bemängeln, aber das war Honorés Absicht. Er drehte überwiegend mit Laien. Auf dieser Initiationsreise verwischen Traum, Phantasie und Wirklichkeit und fügen sich zu einem modernen märchenhaften Mosaik.

14.07.2015

4

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