Kuzu Deutschland, Türkei 2014 – 87min.

Filmkritik

Opfergang in Anatolien

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein Bergdorf in Ostanatolien: Ein Vater schuldet seinem Sohn nach dessen Beschneidung ein Fest, an dem den Gästen ein Lamm serviert wird. Aber wie, wenn man nichts hat? Fast spartanisch beschreibt Kutluĝ Ataman ein Sozialdrama in elementaren Bildern.

Ein ärmliches Bergdorf in Ostanatolien. Ein karger Landstrich, in dem die Zeit scheinbar stehen geblieben ist. Ismail (Cahit Gök) ist einer der Ärmsten der Armen im Dorf. Der arbeitslose Handlanger kann seine Frau Medine (Nesrin Cavadzade), das Töchterchen Vicdan (Sila Lara Cantürk) und den Sohn Mert (Mert Taştan) kaum durchbringen. Zum Unterhalt trägt Medine bei, die Weidenruten sammelt. Nun steht die Beschneidung des Sohnes an, und die ist traditionell mit einem Festessen für Freunde und Nachbarn verbunden. Ein Lamm muss her - aber woher nehmen, wenn man keine Mittel hat? Der Hirt weigert sich, ein Lamm auf Pump herzugeben. Merts ältere Schwester verbreitet die Mär, dass ihr Bruder geschlachtet würde, wenn man kein Lamm auftreibt.

Die Mutter verzweifelt schier. Und der Vater? Er borgt sich einen Batzen und bekommt kurzfristig einen Job. Arbeitskumpane schleppen ihn am Feierabend zu Safiye (Nursel Köse), und Ismail verjubelt seinen Lohn. Er hat sich in die dralle Künstlerin mit Sexappeal verguckt, die im nahe liegenden Städtchen gastiert. Er verdrängt seine Familie, immer wieder zieht es Ismael zu der Liebesdienerin. Was soll nur aus Mert und dem wichtigen Fest werden? Alle Bettelei nutzt nichts, die Dorfgemeinschaft verweigert sich, aber die Mutter gibt nicht auf und rüstet weiter. Doch woher soll sie Geld für ein Lämmlein bekommen? Unverhofft bekommt sie Hilfe von einer ganz anderen Seite.

In elementaren, archaischen Bildern (Kamera: Feza Çaldiran) beschreibt Filmautor Kutluĝ Ataman die Leidensgeschichte des Versagens, der Verantwortung und einer Emanzipation. In dieser Dorfgemeinschaft haben die Männer das Sagen, doch die Frauen tragen die Last, versorgen oft Mann und Familie, ohne Anerkennung zu finden. Am Ende steht eine unerwartete Solidarität.

Der 53-jährige Filmemacher aus Istanbul studierte in Los Angeles und an der Pariser Sorbonne. Bekannt ist er auch als Künstler, er war etwa an der 11. Documenta in Kassel präsent. Sein dokumentarisch anmutendes Familiendrama Kuzu schildert eindrücklich den Konflikt zwischen modernen und traditionellen Kräften. Dabei rückt die Frau – hervorragend Nesrin Cavadzade als Medine - immer stärker in den Mittelpunkt und erweist sich als starke treibende Kraft, während die Männer im Alten verharren: Sie ist die Zukunft, sie steht für Hoffnung.

16.04.2024

4

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