Ich seh, Ich seh Österreich 2014 – 99min.

Filmkritik

Quälende Ungewissheit

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Dass sich Grauen und Unbehagen auch ohne Monster und Spezialeffektsalven erzeugen lassen, veranschaulicht das Spielfilmdebüt von Veronika Franz und Severin Fiala auf eindrucksvolle Weise. Ein im familiären Alltag verankerter Horrorthriller mit rätselhaft-vieldeutigen Bildern und einigen geradezu schmerzhaften Terrorszenen.

Eigentlich sollten sich die Zwillinge Elias (Elias Schwarz) und Lukas (Lukas Schwarz) darüber freuen, dass ihre Mutter (Susanne Wuest) nach einer Operation in das Landhaus der Kleinfamilie zurückkehrt. Schnell breiten sich allerdings Angst und Misstrauen aus, da die im Gesicht bandagierte Frau vollkommen verändert scheint. War sie früher liebevoll und einfühlsam, tritt sie nun herrisch und abweisend auf. Weshalb die beiden Jungen plötzlich überzeugt sind, einen fremden Menschen vor sich zu haben. Um die falsche Mama zu entlarven, holen Elias und Lukas schließlich zum Gegenschlag aus.

Ganz zu Anfang sind Filmaufnahmen der berühmten Trapp-Familie zu sehen, die in trauter Eintracht ein Schlaflied singt. Bilder, die Geborgenheit versprechen, zugleich aber auch unheimlich gekünstelt wirken und damit auf den kommenden Schrecken hindeuten. Denn nichts anderes als eine radikale Zerschlagung häuslichen Glücks streben Veronika Franz, die Ehefrau und Schreibpartnerin von Ulrich Seidl, und dessen Neffe Severin Fiala in ihrer ersten fiktionalen Regiearbeit an.

Schon der Titel, der auf ein beliebtes Kinderspiel verweist, macht deutlich, dass es vor allem um die Wahrnehmung der Figuren, den spezifischen Blick auf die Umwelt geht. Ein für den Horrorfilm charakteristisches Element, das hier ohne erzählerische Schnellschüsse zu einem höchst beunruhigenden Machtkampf ausgearbeitet wird. Geschickt bindet das Regiegespann dabei genretypische Komponenten wie Doppelgänger-Ängste, Albträume und handfesten Body Horror in eine unheilschwangere Atmosphäre ein und weckt nebenbei Erinnerungen an andere düstere Kinofantasien – etwa Funny Games von Michael Haneke.

Sinnlose Blutfontänen haben in diesem konzentrierten, sich langsam zuspitzenden Szenario keinen Platz. Wohl aber Momente, die das Publikum in ihrer verstörenden Intensität auf eine echte Belastungsprobe stellen, da die verunsicherten Zwillinge alle Grenzen missachten. Unbedingt erwähnenswert ist auch die vorzügliche Kameraarbeit von Martin Gschlacht, der selbst die idyllischen Aufnahmen rund um das unbehagliche Landhaus bedrohlich erscheinen lässt. Bedauern kann man höchstens, dass der zentrale Schlusstwist recht vorhersehbar ausfällt – wobei der Film manch anderes Geheimnis für sich behält.

14.04.2024

4

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Kommentare

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frozone

vor 7 Jahren

Trotz ziemlich vorhersehbarem "Twist" ist "Ich seh, ich seh" dank schlichter, einwandfreier Machart (Setting, Geräusche, Kamera) ein psychisch zermürbender Sehgenuss. Ganz in der Tradition von "Funny Games" (dem österreichischen Original)...


Alina088

vor 8 Jahren

Ich fand den Film anfangs sehr träge und überlegte mir kurz, ob ich nicht mehr weiter schauen sollte. Jedoch war der Film in den letzten 2/3 sehr spannend und auch sehr brutal. Sehr zu empfehlen wer nicht auf kitschige Computereffekte steht, die leider heute in fast jedem Horrorfilm vorkommen, sondern eher auf Minimalistische Flach gehaltene Filme wie dieser. 5 Sterne von meiner seiteMehr anzeigen


sum21

vor 8 Jahren

Ein sehr guter dramatischer fast perfekter Horrorfilm.
Was diese Frau am Schluss alles über sich ergehen lassen muss, ist brutal, aber da ist sie zum grossen Teil selber schuld. Wieso konnte sie nicht die Wahrheit sagen?
Diese Frage bleibt bis im Schluss unaufgeklärt, wer diese Frau nun war.
Eventuell könnte es die Freundin der Mutter gewesen sein, aber das weiss man nicht.
Sehr gut gespielt auch von den Jungendarsteller.Mehr anzeigen


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