Hin und weg Deutschland 2014 – 95min.

Filmkritik

Belgien sehen und sterben

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Der todkranke Hannes macht mit Freunden eine Radtour zu seinem Sterbeort. Von seiner Absicht erfahren sie erst auf der Fahrt.

Sie sind ziemlich beste Freunde: Hannes (Florian David Fitz) und seine Kiki (Julia Koschitz), Michael (Jürgen Vogel), Dominik und Sabine (Johannes Allmayer und Miriam Stein) sowie Hannes' Bruder Finn (Volker Bruch). Zusammen geht es auf die jährliche Fahrradtour, die dieses Mal nach Belgien führt. "Warum bloss Belgien?", raunt Michael. Der Grund erschliesst sich sowohl ihm als auch den anderen kurz nach dem Start: Hannes leidet an ALS im schnell fortschreitenden Stadium. Deshalb hat er bei einem belgischen Doktor Sterbehilfe beantragt.

Konsternation im Peloton. Leere Blicke, Tränen. Verstimmung. Vorwürfe. Und dann die Rückkoppelung der Gefühle: Jetzt erst recht. Hannes’ Freunde begleiten den Todgeweihten auf seiner letzten Fahrt, die erfüllt ist vom vollen, leidenschaftlichen Leben. Bis der Tag gekommen ist, an dem Hannes seinen Termin hat ...

Für viele Menschen ist der Tod der grosse Antagonist des Lebens. Filmdramen um leidvolles Sterben besitzen daher eine besonders intensive Kraft, selbst wenn sie komplett erdacht wurden. Sie ist so stark, dass ein Filmkritiker durchaus in die Position des Rohlings gerückt werden kann, sollte er einen Film dieses Inhalts nicht als eine einzige Offenbarung anerkennen, ihn gar niederschreiben. Nun, für zweites liefert Hin und weg keinen Grund. Erstes dagegen trifft ebenfalls nicht zu.

Natürlich darf man Hin und weg nicht mit einem so realitätsnahen Krankheitsdrama wie Halt auf freier Strecke vergleichen. Jedoch drängt sich dafür das mit Hattie Daltons so sträflichst ignoriertem Werk Third Star aus dem Jahre 2010 auf, in dem drei Freunde einen todkranken jungen Mann – gespielt vom damals noch weitgehend unbekannten Benedict Cumberbatch – zu seinem Sterbeort begleiten.

Der emotionalen Wucht dieses Films kann sich Hin und weg lediglich annähern. Gewiss hätte sich Regisseur Christian Zübert eine Schicht Glanzpolitur sparen können: Der Soundtrack ist poppig glatt, die Bilder sehen aus wie vom Tourismusbüro zur Verfügung gestellt, und wenn's dann mal regnet wie aus Kübeln, suhlt sich die Truppe in gar überbetonter "Scheiss-drauf"-Manier im Schlamm.

Trotz seines offensichtlichen Mainstream-Anspruches darf man Hin und weg jedoch als aufrichtigen Film um Freundschaft und Verlust abnicken – wird er doch an den entscheidenden Stellen bedachtsam still und dank tollen Schauspielern beklemmend intim. Nach 95 Minuten hat man ein heisskaltes Roadmovie gesehen, von dem man durchaus eine Prise Lebensmut in den eigenen Alltag zu entnehmen vermag.

16.04.2024

3

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Kommentare

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zreh

vor 9 Jahren

Ein sehr berührender Film, schwieriges Thema super umgesetzt und tolle Schauspieler. Sehr empfehlenswert!


willhart

vor 9 Jahren

Am vorletzten Filmfestival hab es einen ähnlichen Film. Eine verrückte letzte Reise an einen Strand, an dem der Todkranke sterben wollte. Fand ihn weniger bemüht. Das können die Briten einfach besser. Dennoch unterhaltsam und zum Nachdenken anregend


Patrick

vor 9 Jahren

Nach diesem Film ist man Hin und Weg, Dank den tollen Darstellern und der berührten Story. Der Film Hin und Weg löst Diskussionen zum Thema Sterbehilfe aus.


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