Escobar: Paradise Lost Belgien, Frankreich, Spanien 2014 – 120min.

Filmkritik

Solo für einen Superstar

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Der kolumbianische Drogenbaron Pablo Escobar (1949-1993) gilt weltweit als eine der schillerndsten Verbrecherpersönlichkeiten. Dass der italienische Schauspieler Andrea Di Stefano (The Life of Pi) in seinem Regiedebut "El Patrón" Escobar huldigt, ist legitim. Dass er den charismatischen Killer mit Robin-Hood-Allüren in seinem exotischen Thriller zur Nebenfigur degradiert, ist schade. Auch wenn sie von Oscar-Preisträger Benicio del Toro famos verkörpert wird.

Das Drehbuch kapriziert sich auf eine fiktive Lovestory, die im engsten Umfeld des Kokain-Paten spielt. Im Fokus ist der naive kanadische Surfer Nick (Josh Hutcherson) der in den späten 1980er-Jahren mit seinem Bruder an einem Strand in Kolumbien haust, wie im Pfadi-Lager. Ausgerechnet dort, wo seinerzeit das gewalttätige Drogenhandel-Mekka verortet war. Kein Wunder also, dass bald üble Ganoven aufkreuzen und die Wellenreiter-Idylle empfindlich stören.

Nichtsdestotrotz verguckt sich Nick in die glutäugige Maria (Claudia Traisac), was nachvollziehbar ist. Eher weniger aber, dass die selbstbewusste, scharf bewachte Schöne dem steifen Charme des Fremden subito erliegt: Als Lieblingsnichte von Pablo Escobar wäre sie kaum so kopflos gewesen, mit dem Jüngling aus dem verhassten Nordamerika eine ernsthafte Liaison anzufangen. Doch Leinwände sind geduldig: Flugs wird Nick in die Familie integriert und lebt dann zunehmend frustriert auf der pompösen Escobar-Hacienda, dem Kommandozentrum des Rauschgift-Kartells.

Escobar, 1993 nach der Flucht aus einer für ihn eigens erbauten Luxus-Gefängnisburg erschossen, begab sich zwei Jahre zuvor nach einem Deal mit der Justiz in die Obhut der Staatsgewalt. Mit diesem medial aufsehenerregenden Ereignis und dem letzten Kapitel der Nick-Saga endet der Film: Don Pablo befiehlt seinem Schützling den Mord an einem Buben. Doch das bringt Nick nicht übers Herz und versucht nun verzweifelt, aus der Bredouille rauszukommen. Etwas gar spät.

Diese Story liesse sich auch erzählen, ohne die zeitgeschichtliche Figur des Pablo Escobar zu bemühen. Und so drängt sich der Verdacht auf, dass es den Machern darum ging, dem Superstar Benicio del Toro einen Laufsteg für eine Darstellerkür aufzubauen. Klappt, denn mal bezaubert der Mime als Grandseigneur, Womanizer, Kinderfreund und Wohltäter. Um dann den aufgedunsenen Todesengel im Adidas-Trainer zu geben. Da schaut man gerne zu, erfährt aber kaum etwas über die Persönlichkeit des Mannes, der einen beispiellosen, modellhaften Verbrecher-Mythos kreierte. Wir unterstellen leise enttäuscht: Dieser Film ist eine Mogelpackung. Wo Pablo Escobar draufsteht, ist viel zu wenig Escobar drin.

16.04.2024

2

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Kommentare

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8martin

vor 2 Jahren

Es ist völlig unerheblich, ob die beiden Autoren Andreas und Stephan Lebert ordentlich recherchiert haben oder nicht. Fakt ist, sie haben einen spannenden Krimi über das Ende des kolumbianischen Mafioso Escobar gemacht. Auch wenn es Lücken im Handlungsverlauf gibt, tut das der Spannung keinen Abbruch, denn die hier gebotene Handlung ist spitze. Die Lücken sind keine Einbrüche.
Escobar feiert wie ein Patriarch mit Familienclan im großen Stil. Für die Kolumbianer ist er ein allseits gefeierter Wohltäter.
Erst durch die Liebesbeziehung des Kanadiers Nick (Josh Hutcherson) und der einheimischen Maria (Claudia Traisac) kommen Escobars geschäftliche Aktivitäten für den Zuschauer ans Tageslicht. Nick findet Aufnahme in Escobars Familie zu der auch Nichte Maria gehört. Ursprünglich hatte Nick mit Bruder Dylan an einem paradiesischen Strand von Kolumbien surfen wollen.
Wieso Nick das Vertrauen des Patriarchen verliert und von seinen Gefolgsleuten verfolgt wird, ist unklar; ebenso wie Escobars freiwilliger Einzug in den Strafvollzug am Ende des Films. Nicks Liebe zu Maria ist unerschütterlich. Er wird zum Killer und schießt sich den Weg frei zum mutmaßlichen Happy End (?)(!). Er trifft Maria vor der kanadischen Botschaft in einer Kirche, aber Hilfe kommt von keiner Seite. Stattdessen besänftigen uns die Lebert Brüder mit paradiesischen Strandbildern und weisen auf den Untertitel hin: Das verlorene Paradies, das für alle Figuren verloren geht: Nick, Maria und Escobar.Mehr anzeigen


Janissli

vor 5 Jahren

Spannender Film, mit unvorhergesehener Wendung. Interessante Darstellung einer kolumbianischen Bekanntheit, die Vordergründig sogar ziemlich sympathisch wirkt.


Sirenix

vor 8 Jahren

Gesehn am Zürich Film Festival echt guter Film


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