Mein Herz tanzt Israel 2014 – 105min.

Filmkritik

Kein einig Volk

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Eran Riklis Buchverfilmung Dancing Arabs sieht einen jungen Palästinenser mit der ethnischen Ungleichheit in Israel konfrontiert. Und mit den Wirren des Erwachsenwerdens.

Der kleine Eyad (Razi Gabareen) ist der Sohn eines politisch aktiven Palästinenser, und ein helles Kind: Auf das hirnzerdröselnde Rätsel im lokalen TV weiss nur der Junge die richtige Antwort. Dafür gibt es drei Kilo Fleisch vom Markt, und gleich auch des Vaters Entschlossenheit auf den Weg, den Sohn einmal auf die beste Schule Israels zu entsenden.

Sechs Jahre später, 1988, wird dieser Bildungsweg für Eyad (nun gespielt von Tawfeek Barhom) Realität. Als erster und einziger Araber im jüdisch-israelischen Internat in Jerusalem tut sich der "Freshman" jedoch denkbar schwer. Mit der Zeit kann er dennoch einen engen Bezug zu zwei Personen aufbauen: zur hübschen Naomi (Danielle Kitzis) und zum an einer unheilbaren Muskelkrankheit leidenden Yonatan (Michael Moshonov).

Doch selbst mit diesen ihm lieben Menschen bleibt Eyad das wiederstandlose Gleiten durchs Leben versagt. Das hat weniger mit Yonatans sich verschlechterndem Gesundheitszustand zu tun, als mit dem Erbe seiner Herkunft. Einen passablen Job zu finden ist für Eyad kaum möglich. Und die Liebe zueinander müssen er wie Naomi vor den Eltern geheim halten. Irgendwann sind es Eyad der Widrigkeiten dann zuviel. Um endlich Gleichberechtigung zu erlangen, fasst er einen radikalen Entschluss.

Sayed Kashuas im Jahre 2002 veröffentlichter Roman Dancing Arabs basierte auf zahlreichen Erfahrungen, die er selbst als Araber in Israel gemacht hat. Der Clash der Völker hält dort bekanntlich an, und Kashua, der für die Verfilmung auch das Skript schrieb, hat in der Zwischenzeit selbst eine drastische Entscheidung getroffen: Im Sommer 2014 siedelte der Schriftsteller in die USA um, als Konsequenz zur ansteigenden Schikanierung der arabischen Gemeinschaft.

Kashuas Schritt spricht Bände, weil gerade der auf Hebräisch schreibende Autor sich als Symbolfigur für ein einträchtiges Israel eignet. Gleich wie dieser reflektierte, besonnene Eyad, der nicht wie sein impulsiver Vater die irakischen Raketen bejubelt, der sich keinen polternden Wutausbruch und keine galligen Retourkutschen abtrotzen lässt. Der nicht Araber und nicht Jude sein will, sondern Israeli.

Eran Riklis Film steht zweifellos im Zeichen des ethnischen Konfliktes. Mitunter lässt Kashua und Regisseur Riklis Dancing Arabs aber auch als politisch unverfärbte, nicht unkomische Coming-of-Age entfalten, mit den geläufigen Motiven der ersten Liebe, der innigen Freundschaft und der Wegfindung ins Erwachsensein. Das macht Dancing Arabs zu einem mehrschichtigen Werk, das Emotionen zu wecken vermag, gerade auch weil es sich schroffe Momente versagt.

13.02.2015

4

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Kommentare

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Rockabilly_ZH

vor 9 Jahren

Hervorragend! Ein gigantischer Film mit viel Tiefgang. Verschiedene Geschichten veranschaulichen die Thematik auf excellente Weise. Schauspielerische Top-Leistung. MUST


eldonro

vor 9 Jahren

Habe den Film bereits in Locarno gesehen. Ein sehr schöner Film, der ausgesprochen aktuell ist.


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