Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) Kanada, USA 2014 – 119min.

Filmkritik

Fallstricke des Ruhms

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Seit ihm mit Amores perros der Durchbruch gelang, hatte der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu stets das große Panorama im Blick. Episodenhaftes Erzählen mit umfangreichem Ensemble wurde zu seinem Markenzeichen, mit 21 Grams und nicht zuletzt dem vielfach Oscar-nominierten Babel. Selbst in Biutiful, wo er sich ganz auf Javier Bardem als Protagonisten konzentrierte, lotete er die weitläufigen Unter- und Parallelwelten Barcelonas aus. Geradezu eng und beschränkt nimmt sich dagegen nun die Welt seines neuen Films Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance) aus.

Auch Iñárritus fünfter Spielfilm fokussiert sich ganz auf eine Figur. Riggan Thomson (Michael Keaton) war als Schauspieler mal eine große Nummer in Hollywood. Doch die Erfolge, die er als Superheld in den "Birdman"-Filmen feierte, liegen lange zurück; abgehalftert ist ohne Frage nicht das verkehrteste Wort, um seine Karriere zu beschreiben, auch wenn er selbst der Wahrheit nur bedingt ins Auge blicken mag.

Als Regisseur und Hauptdarsteller einer Theaterinszenierung am Broadway will er sich neu erfinden. Was leichter gesagt ist als getan, nicht nur angesichts von Selbstzweifeln, Nervosität und den Erwartungen der Presse. Kurzfristig muss der egozentrische Star Mike Shiner (Edward Norton) engagiert werden, Hauptdarstellerin Lesley (Naomi Watts) ist ein Nervenbündel, Nebendarstellerin Laura (Andrea Riseborough) gleichzeitig Riggans Geliebte und seine Tochter (Emma Stone), die ihm als Assistentin dienen soll, gerade aus dem Entzug entlassen.

Geradezu mit Gnadenlosigkeit heftet sich die Kamera an Riggans Fersen, auf die Bühne, durch die engen Gänge des Theaters oder in die Garderobe und zur Not auch mal – nur in Unterhose – durch die Menschenmassen auf dem Times Square. Iñárritu und seine Kamera- und Schnitt-Mitstreiter filmen das geradezu brillant, über weite Strecken als eine einzige, fließende Kamerafahrt, in der kaum Schnitte wahrzunehmen sind. Als Zuschauer wird man regelrecht hinein gesogen in die vor Nervosität und Hektik flirrende Atmosphäre im Vorfeld einer Theaterpremiere, stets voran getrieben von der außerordentlichen, von Trommeln dominierten Filmmusik von Antonio Sanchez.

Oscar-Anwärter Michael Keaton in der Hauptrolle zeigt eine rich­tig­ge­hend magnetische Präsenz, gerade weil er die Kamera so bedingungslos und uneitel nah an sich heran lässt. Aber natürlich auch, weil die Parallelen zwischen seiner von inneren Dämonen geplagten Figur und ihm selbst, der einst als Batman Erfolge feierte und zuletzt eher weg vom Fenster war, nicht zu übersehen sind. Überhaupt ist Birdman ein cleveres Spiel mit der Metaebene, an dem man nicht zuletzt dann Freude hat, wenn man sich fürs Show-Geschäft interessiert, für gnadenlose Kritiker, Schauspieler-Allüren und die Fallstricke des Ruhms.

Es ist auf den zweiten Blick also doch wieder ein größeres Panorama, das Iñárritu hinter den Theaterkulissen auftut, und er setzt es mit bemerkenswerter Virtuosität und fantastischen Darstellern in Szene. Bei den Oscars geht der Film deswegen verdient als einer der großen Favoriten ins Rennen. Doch verglichen mit seinem Hauptkonkurrenten, Richard Linklaters gefühlvoller Langzeitstudie Boyhood, ist Birdman vor allem Kino für Kopf und Augen, weniger fürs Herz.

18.01.2024

4

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Kommentare

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Janissli

vor 5 Jahren

Total abgedreht, witzig und mit "Nachwirkung". Die schauspielierische Leistung von Edward Norton und Micheal Keaton ist phänomenal und schlichtweg bewunderswert! Wenn man sich auf die spezielle Art des Storry-Tellings und die Art wie der Inneren Zwiespalt des Hauptdarsteller dargestellt wird einlässt.... dann wird der Film einem lange in Erinnerung bleiben.Mehr anzeigen


frozone

vor 7 Jahren

Iñárritu und seinem Team gelingt es dank der eigenwilligen Machart des Filmes perfekt, sowohl das pulsierende Geschehen des Broadways als auch die künstlerisch-klaustrophobische Atmosphäre hinter den Kulissen einzufangen. Ein Teelöffel (Familien)Drama, eine Prise Humor, etwas Chaos, angerührt mir viel magischem Realismus und Michael Keaton, der alles zusammenhält...Mehr anzeigen


makdiver

vor 8 Jahren

Sowas bekommt 4 Oscars? Ein alternder Schauspieler versucht ein Theaterstück mit dem Thema Liebe aufzuführen und kämpft, wie alle Frischlinge mit den Problemen der Anerkennung, Selbstzweifel und wenig Geld. Dann gibt es noch eine verkrachte Ehe und eine schwierige Vater-Tochter Beziehung und zuguter letzt die klassische widerliche Kritikerin. Nebenbei hat er noch übermenschliche Kräfte, er kann fliegen. Das Ende - oh Wunder - alles wird gut. Das Stück wird ein Erfolg, die Frau kommt zurück, die Tochter kuschelt wieder. Ein rausgeworfener Abend, wenn er nicht im OpenAir stattgefunden hätte. Und vorallem - das ist aber nicht filmspezifisch - ein Film ohne Pause!Mehr anzeigen


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