Big Eyes Kanada, USA 2014 – 106min.

Filmkritik

Kunst, Kitsch und Liebesbetrug

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Kinder, Frauen, Tiere mit aufgerissenen Augen waren das Markenzeichen der Malerin Margaret Keane (geb. 1927), die in den 1950er-Jahren das US-Kunstbusiness irritierte: Für Experten war es Kitsch pur, was das Publikum heiss begehrte. Zudem hatte die Erfolgsstory Skandalpotenzial, weil sich Margarets Ehemann Walter (1915-2000) frech als Urheber der Gemälde ausgab. Grund genug für Tim Burton, mit Stars wie Amy Adams oder Christoph Waltz nach Ed Wood wieder ein Biopic zu drehen. Es fängt als gewitzte Zeitgeist-Persiflage an und endet zwiespältig als bizarres Ehedrama.

Die Keane-Saga startet, als Margaret (Amy Adams) mit ihrem Töchterchen den ersten Ehemann, ganz ohne Plan, verlässt. Sie zieht nach San Francisco, verkauft ihre Arbeiten auf Märkten. Dort trifft sie auf Walter Keane, einen Immobilienmakler und Sonntagsmaler, der mediokre Pariser Strassenszenen verhökert. Er erkennt flugs, dass Margarets Stil ankommt, macht ihr den Hof, heiratet sie 1955. Zusammen mit einem gerissenen Jazzklub-Impresario (John Polito) und einem schmierigen Klatschjournalisten (Danny Huston) entwickelt er dann eine geniale Marketingstrategie. Exakt in dem Moment, wo die Popkultur im Entstehen ist und Kunstrevoluzzer wie Andy Warhol die Szene aufzumischen beginnen.

Davon handelt der Film auch, doch im Fokus ist Margaret, die vom Hochstapler und Womanizer Walter mit sadistischen Psychoterror-Methoden ausgebeutet wird. Im Miniatelier einer Luxusvilla wird sie quasi zur malenden Legehenne für die Objekte, mit denen sich Walter im Scheinwerferlicht schmückt. Gedemütigt trennt sie sich 1965 vom Gemahl, zieht nach Hawaii, macht 1970 den Betrug öffentlich. Doch erst zwei Jahrzehnte später wird ihr juristische und monetäre Satisfaktion zu Teil.

Ein Stoff wie dieser hätte ein emanzipatorisches Plädoyer und eine ironische Zeitgeist-Studie abgeben können. Doch Tim Burton, kein Maestro der feinsinnigen Psychostudie, interessiert sich für Letzteres kaum, quetscht dafür das Seelenfolter-Duell der Keanes aus. Wobei Amy Adams darstellerisch überzeugt, aber von Christopher Waltz gnadenlos an die Bande gecheckt wird, weil die Regie dem zur Exaltiertheit neigenden Mimen zu viele Freiheiten lässt. In zwei Quentin-Tarantino-Filmen hat das gepasst, in Big Eyes nervt es.

Was bleibt ist die erneute Erkenntnis, dass Burton comic-haft-surreale Zerrfiguren gut zu skizzieren weiss, menschliche Wesen eher weniger. Denn dazu bräuchte es Empathie; etwas mehr davon hätte dieser Tragikomödie wahrlich nicht geschadet.

16.04.2024

3

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Kommentare

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8martin

vor einem Jahr

Die Preise für dieses Biopic sind voll gerechtfertigt. Tim Burton hat nicht nur über ein hervorragendes Drehbuch verfügen können, sondern er hatte auch noch zwei grandiose Darsteller vor der Kamera.
Die Lebenswege des Malerehepaares Walter (Christoph Waltz) und Margaret Keane (Amy Adams) werden äußerst sensibel dargestellt. Wie sie durch Betrug und Selbstbetrug reich werden. Dabei geht es Walter nur ums Geld (und da ist er ein echtes Verkaufsgenie) und Margaret neben der Selbstverleugnung als Künstlerin auch um ihre neue Rolle als emanzipierte Frau. Wir sind in den 50er Jahren, als Ehefrauen ohne die Zustimmung ihres Mannes nicht voll geschäftsfähig waren.
Amy Adams zeigt eine Frau zwischen Angst und Unsicherheit, zwischen dem damals herkömmlichen Rollenverständnis der Frau mit allem damit verbundenem Unterordnungszwang und der Notwendigkeit ihre künstlerische Neigung zu verleugnen.
Dabei liebt sie diesen Walter doch…
Der Kampf tobt in ihr und sie kommt allmählich dazu, auch gegen Walter zu kämpfen. Der überrollt sie lange Zeit mit seiner Eloquenz und Machtposition. Obwohl man weiß, dass er die Bilder nicht gemalt hat, bleibt es weiterhin spannend. Der kommerzielle Erfolg treibt immer weitere Blüten (Poster, Postkarten) und auch die Kritiker rühren sich. Ein wahres Actionhighlight ist die Auseinandersetzung zwischen Walter und dem gaaanz coolen John Canaday (Terence Stamp), der eine Gabel als Angriffswaffe zwei Zentimeter vor seinem Auge stoppt. Christoph Waltz gibt Walters Weg in den Wahnsinn (Schizophrenie) grandios wieder - und bleibt bis zum Schluss doch ein Charmeur.
Dabei gerät es fast außer Acht, dass die Kinderbilder mit den übergroßen Augen manchem den ästhetischen Magen umdrehen. Die Gerichtsszenen sind der absolute Höhepunkt des Films. Und die Lösung, mit der öffentlich dokumentiert wird, dass Margaret die Bilder gemalt hat, ist wahrlich genial.
Beste Unterhaltung die bewegt und beide Arten von Tränen provoziert.Mehr anzeigen


Patrick

vor 5 Jahren

Wird auf eine Witzige & Skurrile Art erzählt und kan daher zwischenzeitlich Unterhalten aber zwischenzeitlich kommt auch Langeweile auf.Christopher Waltz ist sicher ein guter Darsteller aber er spielt immer und immer wieder einen verschoben Psychotip und dessen Mimik wiederholt sich in den meisten seiner Filme auch immer und immer wieder vom neuem.Dennoch gibt’s von Mir 3.1/2 Sterne von 5.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 5 Jahren


holiday88

vor 8 Jahren

Grosses Kino mit einer gelungenen Mischung aus Gefühl, Tragik, Witz und Charme.


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