The Fifth Estate Belgien, USA 2013 – 128min.

Filmkritik

Zwischen den Stühlen

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Wie viel Zeit sollte vergangen sein zwischen tatsächlichen Ereignissen und ihrer fiktionalisierten Nacherzählungen? The Fifth Estate stand in dieser Hinsicht vor einer besonderen Herausforderung. Denn die Geschichte von WikiLeaks ist noch lange nicht auserzählt. Und genau darin liegt das Problem, dem Regisseur Bill Condon und sein Drehbuchautor Josh Singer nicht Herr geworden sind.

Ihr Film widmet sich jenem Zeitraum ab 2007, in dem Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl) den australischen Netzaktivisten Assange (Benedict Cumberbatch) kennen lernt, ihm dabei hilft, mit WikiLeaks für Transparenz zu kämpfen und weltweite Polit- und Wirtschaftsskandale offenzulegen, und sich schließlich - im Zuge der größten Enthüllung amerikanischer Militärgeheimnisse aller Zeiten - von ihm distanziert.

Man kennt im Großen und Ganzen die Ereignisse, wenn man in den letzten Jahren ein wenig aufmerksam die Nachrichten verfolgt oder gar die Bücher "Inside WikiLeaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt" von Domscheit-Berg und "WikiLeaks: Julian Assanges Krieg gegen Geheimhaltung“ der britischen Journalisten David Leigh und Luke Harding gelesen hat, auf denen der Film basiert. Das wäre nicht weiter tragisch, würde die Hollywood-Produktion darüber hinaus noch etwas zu sagen haben. Doch das tut sie nicht.

Wohl um niemandem auf die Füße zu treten - und auch, weil ein abschließendes Urteil über Assange und die Folgen seiner Aktivitäten in jeder Hinsicht noch kaum zu fällen ist - begnügt sich Condon damit, die wichtigsten Stationen der Blütezeit von WikiLeaks der Reihe nach abzuhaken. Weder ist der Film zu der - auch von Assange selbst befürchteten - Abrechnung mit dem eigenwilligen Egomanen geworden noch zu einer Lobhudelei auf seine Errungenschaften. Tunlichst vermeidet es The Fifth Estate, sich auf irgendeine Seite zu schlagen, so dass zur Sicherheit auch noch eine Handlungsebene ergänzt wurde, in der mittels besorgter Regierungsbeamter die US-Kritik am Geheimnisverrat thematisiert wird.

Ergiebiger hätte es sein können, sich weniger sklavisch an Chronologie und Fakten festzuhalten und den Fokus auf die Figuren und ihre Motivation zu richten. Doch was Assange antreibt und wie er tickt, das versucht der Film gar nicht erst jenseits der Oberfläche zu beleuchten. Hier wäre die künstlerische Freiheit wünschenswert gewesen, die sich etwa The Social Network vor einigen Jahren im Bezug auf Facebook-Gründer Mark Zuckerberg herausgenommen hatte. Doch bis hin zu den Versuchen, mit eher altbackenen visuellen Einfällen Chats oder virtuelle Datenübertragungen darzustellen, haftet The Fifth Estate in fast jedem Moment ein Gefühl des mutlosen Zauderns an. So bleibt am Ende jenseits seines sehenswerten Hauptdarstellers und eines faszinierenden Sujets nur ein Film stehen, der sich zwischen alle Stühle setzt und weder Politthriller noch Psychostudie, weder pro noch contra Assange ist.

18.02.2024

2

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Kommentare

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oscon

vor 7 Jahren

Dokupic über Julian Assanges Anfänge mit Wikileaks mit einem hervorragenden Benedict Cumberbatch und Daniel Brühl in den Hauptrollen.
Aufgrund der Darstellung erhält die Lichtgestalt Assange doch einige dunkle Stellen:
Wo bleibt die Ethik bei solch schonungslosem Publizieren? Inwiefern sind die psychischen Folterungen der Sekte aus der Jugendzeit heute noch in Assange's Handeln bemerkbar?Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 10 Jahren

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Gelöschter Nutzer

vor 10 Jahren

Dies ist die authentische Geschichte über Menschen, die das Wann oder Wo und wie weit sie ein neues Internet Bewusstsein bestimmen wollen. Ähnlich wie Wall Street 2 - mit vielen nervösen Schnitten am Anfang


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