L'intrepido Italien 2013 – 104min.

Filmkritik

Witzfigur am Puls der Wirtschaft

Filmkritik: Eduard Ulrich

Gerade Italien ist von Wirtschaftskrise und Globalisierung stark verändert worden - nicht zum Besseren. Gianni Amelio erfindet den Einspringer, eine Witzfigur, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn jemand am Arbeitsplatz ausfällt - Branche beliebig! Er benutzt ihn als sozioökonomisches Senkblei, um die Untiefen der wirtschaftlichen Verhältnisse und der privaten Beziehungen auszuloten. In der Hauptrolle begeistert Antonio Albanese; dasselbe gilt für die Bilder von den lamentablen Arbeitsbedingungen und den desolaten Gesellschaftsverhältnissen.

Gianni Amelio konnte nie mehr an seinen Einstandserfolg Il ladro di bambini anknüpfen, er hat sich aber seine Eigenständigkeit bewahrt und an seinem Handwerk gefeilt. Dies zahlt sich nun endlich aus, denn sein "Einspringer" funktioniert auf mehreren Ebenen: kameratechnisch, darstellerisch, gesellschaftskritisch und psychologisch.

Man kann seine Parabel als humorvolle Diagnose systematischer Probleme der italienischen Gesellschaft verstehen und sich am uneitel brillanten Spiel seines Hauptdarstellers Antonio Albanese vergnügen, der eine vollkommene Kunstfigur mit liebenswürdigem Charme erfüllt. Dabei überschreitet die Idee eines erfahrenen und entschlossenen Vierzigjährigen, der über einen dubiosen Mafioso zu allen möglichen Einsätzen abkommandiert wird, bei denen er jemanden am Arbeitsplatz vertritt, nur sachte die Grenze zum Absurden oder Irrealen.

Dieser Stellvertreter, Antonio Pane, reinigt, fährt Pizze aus, klebt nachts Plakate, hilft auf dem Bau, chauffiert ein Tram und einiges mehr. Die kurzen Blicke in immer wieder andere Arbeitswelten zeigen nebenbei bedenkliche Missstände, aber die vielfältigen Begegnungen mit immer wieder anderen Personen meistert der stets freundliche und hilfsbereite Pane bravourös, auch wenn es sich um seine Ex-Frau und ihren neuen Mann handelt. Pane unterstützt den gemeinsamen erwachsenen Sohn, der ihn regelmäßig besucht. Das soll aber nicht die einzige private Beziehung bleiben, in der Panes Wärme und Mitgefühl zum Zuge kommen, die in starkem Kontrast zur sonst grassierenden Unverbindlichkeit und Rücksichtslosigkeit stehen.

Gefilmt ist dies alles mit einer subtilen Eleganz, dass es eine wahre Freude ist zuzusehen - bis hin zu den vielen realistischen Details. Und Amelio hat ein phänomenales Rhythmusgefühl: die Länge der Episoden ist ideal, wir schwingen umstandslos von einer zur anderen, dazwischen sind immer wieder ruhigere Szenen eingeschoben, die Lust auf die nächste Überraschung machen.

15.07.2014

4

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