Inside Llewyn Davis Frankreich, USA 2013 – 105min.

Filmkritik

Schöner scheitern

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Man muss nicht mal an O Brother, Where Art Thou? denken, um sich vor Augen zu führen, welche Bedeutung Musik für die Filme der Coen-Brüder hat. "These Boots Are Made For Walking" in Fargo. Jefferson Airplane in A Serious Man. Und immer wieder Bob Dylan. Und um genau den geht es nun auch in Inside Llewyn Davis, dem musikalischsten Coen-Film bislang. Oder besser: um Dylan geht es eben gerade nicht.

Vielmehr ist er in dieser wunderbaren Tragikomödie die entscheidende Leerstelle. Inside Llewyn Davis nämlich spielt in der New Yorker Folkszene, genau in jenem Moment, bevor Dylan auftauchte und sie unwiderruflich veränderte. Sein Altersgenosse Llewyn Davis (Oscar Isaac) - phänotypisch mit wuscheligem Lockenkopf und Zigarette im Mundwinkel dem berühmten Kollegen nicht unähnlich - ist zu diesem Kunststück nicht in der Lage.

Auch er ist ein begabter Musiker und Sänger, doch musikalisch scheint er in den Konventionen seiner Zeit festzustecken. Weswegen es auch mit der Karriere nicht voran gehen will: Seine Platte verkauft sich nicht, der Manager lässt ihn wegen Erfolglosigkeit gehen und die unregelmäßigen Club-Auftritte oder Studio-Jobs halten ihn nur mühsam über Wasser. Dass es privat besser laufen würde, kann man nicht unbedingt behaupten. Ex-Affäre Jean (Carey Mulligan) ist sauer, schwanger und inzwischen mit Kumpel und Kollege Jim (Justin Timberlake) zusammen. Wohnen tut Llewyn auf verschiedenen Couches. Und dann haut auch noch die Katze ab, um die er sich eigentlich kümmern sollte.

Für Typen am Rande des Scheiterns hatten die Coens immer schon ein großes Herz. Inside Llewyn Davis stellt trotzdem eine Ausnahme dar. Denn ihrem neuen Protagonisten gönnen sie nicht einmal die kleinsten Erfolge, selbst als er vorübergehend Manhattan den Rücken kehrt, um im winterlichen Chicago sein Glück zu suchen. Entsprechend melancholisch ist hier die Stimmung, die nicht zuletzt in Ermangelung von allzu viel Handlung fast so sehr im Mittelpunkt steht wie der Anti-Held selbst.

In den Händen anderer Regisseure wäre unter diesen Voraussetzungen wohl ein Trauerkloß von Film entstanden, nicht zuletzt weil Llewyn Davis nicht unbedingt sehr sympathisch ist. Oscar Isaac allerdings, der weder in W.E. noch in Drive groß auffiel, spielt ihn derart nuanciert, dass man sich gar nicht satt sehen kann an ihm. Ganz zu schweigen davon, dass die Coens natürlich auch dieses Mal ihren Sinn für unverwechselbar schrägen, ironischen Witz nicht außen vor lassen, bei dem ihm neben einem herrlich absurden John Goodman nicht zuletzt besagte Katze in die Hände spielt.

Und dann ist da natürlich noch die Musik! Grandiose, in Vergessenheit geratene Folksongs haben die Brüder mit ihrem langjährigen Wegbegleiter T-Bone Burnett zusammengetragen und für den Film aufbereitet, in den sie sich nun bemerkenswert organisch einfügen. Ganz am Ende taucht dann sogar doch noch Bob Dylan auf.

16.12.2013

5

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Kommentare

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dulik

vor 5 Jahren

„Inside Llewyn Davis“ erzählt die Geschichte des gleichnamigen Folksmusikers, mit einer wunderbaren Atmosphäre und ebenso beeindruckender Musik. Da dies jedoch keine Biographie und Llewyn Davis eine fiktive Figur ist, hätte man dessen Persönlichkeit etwas spannender gestalten können. Der Film zieht einem auf jeden Fall in seinem Bann, bleibt aufgrund der eher uninteressanten Handlung aber kaum länger in Erinnerung. 7.5/10Mehr anzeigen


Barbarum

vor 9 Jahren

Melancholisch, traurig und trotzdem hoffnungsvoll und voller Humor. Einfach wunderbar.


Gelöschter Nutzer

vor 9 Jahren

Von den Coen Brüder gibt es endlich wieder ein beachtliches und beschauliches Meisterwerk, das in Charme und Witz total aufgeht


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