Blancanieves Spanien 2012 – 104min.

Filmkritik

Es war einmal in Spanien

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Schneewittchen ist wieder in aller Munde. Zahlreiche Verfilmungen versuchen, dem Märchen-Klassiker neue Aspekte abzugewinnen. Doch so kühn wie Pablo Berger war bisher noch kaum ein Regisseur: Spaniens Beitrag für den Auslands-Oscar ist ein schwarzweißer Stummfilm.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Der Star-Torero heiratet eine Krankenschwester, die sich nur aus finanziellem Kalkül für ihn interessiert. Seine Tochter Carmen wächst bei ihrer Großmutter auf, da der Vater ihren Anblick nicht erträgt, ist seine Frau doch bei der Geburt des Mädchens gestorben. Als die Großmutter stirbt, muss Carmen zum Vater, der alsbald das Zeitliche segnet, woraufhin die böse Stiefmutter in grenzenloser Eifersucht auf die Schönheit des Mädchens einen Jäger anheuert, Carmen aus dem Weg zu räumen. Doch Carmen überlebt und findet Zuflucht bei sieben kleinwüchsigen Stierkämpfern.

Pablo Berger hat schon vor The Artist, der den Stummfilm einem modernen Publikum wieder näherbrachte, an seinem Märchenfilm gearbeitet. Zehn Jahre hat er an diesem Projekt getüftelt; dass es nun auch ins Kino kommt, darf auch dem Erfolg von The Artist zugeschrieben werden. Berger will jedoch nicht vorgaukeln, man hätte einen alten Film vor sich. Filmrisse, Laufstreifen und andere Beschädigungen gibt es nicht. Blancanieves kommt mit glasklarem Bild daher, was die prächtige Ausstattung des Films zur Geltung bringt.

Die Schwarzweiß-Photographie ist beeindruckend, der Score von Alfonso de Vilallonga verströmt großes Stummfilm-Flair, und Darstellerin Maribel Verdu, die böse Stiefmutter, ist ein Ausbund an erotischer Ausstrahlung. Im Kontrast ist Macarena Garcia die Verkörperung reiner Unschuld und so charmant, dass man nicht anders kann, als sich in dieses Schneewittchen zu verlieben.

Der Film ist ein mitreißender Mix aus Komödie und Melodrama, abgeschmeckt mit einer kräftigen Portion "Goth". Die Gebrüder Grimm wären wohl auf Berger, der auch das Skript verfasste, rechtschaffen stolz. Er hat den Mut, seiner Geschichte die nötige Konsequenz zu verleihen und präsentiert ein Finale, das tragischer nicht sein könnte. Er stellt das zu erwartende, märchenhafte Happyend auf den Kopf und krönt damit eine Schneewittchen-Adaption, wie sie aufregender kaum sein könnte.

Ein Triumph des (modernen) Stummfilms: spannend, amüsant, originell, tragisch und makaber – ein Märchen für Erwachsene.

15.02.2013

5

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Kommentare

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Barbarum

vor 8 Jahren

Der Film hätte die Aufmerksamkeit verdient gehabt, welche "The Artist" fälschlicherweise bekommen hat, schlägt den mehrfach mit dem Oscar ausgezeichneten Streifen, was Bildsprache, Musikeinsatz und Originalität betrifft, um Welten.


loulou1111

vor 11 Jahren

Ein Meisterwerk! Sensationelle Musik, super Kamera, wunderschöne Frauen, sehr berührend, drückt dennoch nicht auf die Tränendrüse. Absolut sehendwert!


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