Die Haut in der ich wohne Spanien 2011 – 120min.

Filmkritik

Der unter die Haut geht

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Hin und wieder gibt es Filme, die einem als Kritiker das Leben besonders schwer machen. Nicht weil man nicht wüsste, was man schreiben soll. Sondern weil man dem Leser so gerne das gleiche Aha-Erlebnis gestatten würde, das man selbst beim Kinobesuch hatte. Was aber bedeuten würde, dass man eigentlich kaum etwas verraten darf. So wie bei La piel que habito, dem neuen, aufregenden Film von Pedro Almodóvar.

Es steigert die Wirkung dieser als Mischung aus Thriller und Melodram daherkommenden Romanverfilmung ungemein, möglichst wenig über die Handlung und all ihre Wendungen zu wissen. Deswegen an dieser Stelle nur das Nötigste: In einer abgelegenen, vermeintlich als Schönheitsklinik dienenden Villa verbringt die schöne, nervlich spürbar mitgenommene Vera (Elena Anaya) ihre Tage eingesperrt in einem Zimmer, durch Kameras beobachtet vom Hausherren Robert Ledgard (Antonio Banderas) und der Haushälterin (Marisa Paredes). Aus dem Zimmer wird sie nur gelassen, wenn der Chirurg seine Forschungen an einer neuen, unter dem Mikroskop entstandenen Form der menschlichen Haut vorantreiben will. Doch ewig lassen sich die dunklen Geheimnisse des Trios, zu denen Selbstmorde, verstossene Söhne und ein verschwundener junger Mann gehören, nicht unter Verschluss halten.

Es ist ein vertracktes Spiel mit falschen Fährten und unterschiedlichen Erzählebenen, das Almodóvar mit "La piel que habito" auf die Leinwand zaubert, ein faszinierendes Puzzle aus überbordendem Plot und so vielen Überraschungen, wie andere Regisseure sie in ihrer gesamten Karriere nicht aus dem Ärmel schütteln. Die Rückkehr des immer noch vor Charisma strotzenden Banderas in das Almodóvar-Universum ist nach rund 20 Jahren Abstinenz unbedingt willkommen, doch Paredes und vor allem die häufig unterschätzte Anaya stehlen ihm beinahe die Show.

Der eigentliche Star aber ist, wie immer bei Almodóvar, ohnehin der Regisseur selbst. Zwar mag "La piel que habito" nie ganz die emotionale Wucht oder stilisierte Surrealität einiger seiner vorherigen Meisterwerke entwickeln. Doch wie er die unterschiedlichsten Genre-Elemente und Stilmittel - von bösem Humor über gruseligen Psycho-Horror bis hin zu rührender Sentimentalität - zu einer trotz allen Ausuferungen dichten, abgründigen und erstklassig bebilderten Erzählung vereint, ist einmal mehr herausragend.

15.02.2024

5

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Kommentare

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tangy

vor 10 Jahren

Krass, aber wahnsinnig gut, typisch Almodovar!


Urs23

vor 10 Jahren

Äusserst interessante, ungewöhnliche Handlung. Wie von Almodovar gewohnt sehr gekonnt inszeniert. Sehenswert.


oscon

vor 11 Jahren

Almodovar at his best: Anspruchsvoll, überzeichnet und schockierend. Der Regisseur verwirrt aufgrund der Erzählweise den Zuschauer ein zweimal nur um ihm die schockierende Wahrheit mit aller Härte ins Gesicht zu werfen. Das Ensemble überzeugt mit der für Almodovar typischen Spiellaune. Grandios!Mehr anzeigen


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