CH.FILM

Sommerspiele Schweiz 2011 – 100min.

Filmkritik

Giochi d'estate

Geri Krebs
Filmkritik: Geri Krebs

Rolando Collas vierter langer Kinospielfim ist eine athmosphärisch dichte, inhaltlich stimmige und formal starke Coming-of-Age-Geschichte mit einem hervorragend geführten Ensemble Kinderdarsteller. Dennoch bleibt ein gewisses Unbehagen zurück.

Rolando Colla, 1957 als Sohn italienischer Migranten in der Schweiz geboren, verarbeitet erklärtermassen eigene traumatische Kindheitserinnerungen und lässt seine Geschichte in einem Ferienort an der Küste der Toscana spielen. Die Eltern des zwölfjährigen Nic (Armando Condolucci) sind dabei, sich zu trennen, da die Mutter die wiederholten Gewaltausbrüche des psychopathischen und dem Alkohol zugeneigten Vaters nicht mehr erträgt. Marie, ein wenig älteres Mädchen, das mit seiner Mutter auf dem gleichen Campingplatz die Ferien verbringt, leidet dagegen darunter, dass sie von klein auf über den Verbleib ihres Vaters im Unklaren gelassen wurde. Nick und Marie freunden sich an, erkunden zusammen mit weiteren Kindern die Umgebung und spielen Spiele, die mit der Zeit immer weniger harmlos sind und die schonungslos die Kaputtheit der sie umgebenden Erwachsenenwelt widerspiegeln.

In der Darstellung dieser gar nicht heilen (Kinder-)Welt geht Giochi d'estate weit, sehr weit. "Ohne falsche Aussparungen", wie es im Presseheft heisst, wird hier häusliche Gewalt und Gewalt unter Kindern gezeigt. Dabei bleiben die Szenen unter den Erwachsenen allerdings weitgehend Behauptung - etwa dann, wenn Nics Mutter es anfänglich nicht schafft, ihren brutalen Ehemann endlich zu verlassen, weil sie dessen dumpfes Machotum auch noch irgendwie erregt. Die Darstellung dieses komplexen Abhängigkeitverhältnisses hätte nach einem subtiler agierenden Schauspielerpaar verlangt als - dem aus allen früheren Filmen Rolando Collas bekannten - Antonio Merone und der bisher vor allem als Komödiantin in Erscheinung getretenen Alessia Barela. Ganz anders dagegen sieht es bei den Kindern aus: Sie spielen ihre Rollen mit erschreckender Präsenz und Intensität, so dass es einem bisweilen unbehaglich wird.

Giochi d'estate vermittelt ungeschminkt eine Realität, die darin besteht, dass heute Primarschüler auf dem Pausenplatz untereinander Handy-Pornos austauschen, oder dass Elfjährige über Wissen über ausgefallene Sexpraktiken Bescheid wissen, von denen ihre Urgrosseltern nie etwas gehört hatten. Konkret heisst das, dass der Film Sado-Maso-Spielchen zwischen 12- und 13-jährigen Kindern explizit und distanzlos zeigt, und die subjektive Kamera aus der Optik Nics immer wieder quälend lange an Gesäss und Brüsten der oft nur mit einem Bikini bekleideten Fiorella Campanella hängen bleibt. Das Mädchen war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 13 Jahre alt und sie spielt ihre Rolle der hin und her gerissenen Marie mit Bravour. Doch man muss sich auch fragen, wo renommierte Kritiker wie jener "Screen Daily" hingeschaut haben, wenn er findet, der Film zeige "erwachende Sexualität von Kindern an der Schwelle zum Teenageralter ohne dabei je ein Gefühl von Ausbeutung zu vermitteln".

15.02.2024

4

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Kommentare

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8martin

vor 10 Jahren

Den Familien, die auf diesem Campingplatz Urlaub machen, geht es gefühlsmäßig nicht gut. Die Kids quälen sich mit Folterspielen und die Alten streiten und prügeln sich –sofern sie jemanden zum Streiten bzw. Prügeln haben. Die pubertären Kids sind ein Spiegelbild der älteren Generation. Alle kennen nur Schmerz und Einsamkeit.
Allein die erste zärtliche Liebe zwischen Nic (Armando Condolucci) und Maria (Fiorella Campanella) fällt da etwas aus dem Rahmen. Beide sind es nicht gewohnt, Gefühle zu zeigen. Und wissen auch nicht, wie man damit umgeht. Die Ehe von Nics Eltern ist am Ende. Wenn sie Liebe machen, ist das eine Vergewaltigung mit vorübergehendem Lustgewinn für beide. Sie (Alessia Berela) redet von Scheidung und rettet ihn immer wieder. Er (Antonio Merono) verprügelt sie dafür mit steter Regelmäßigkeit. Sie handelt nach dem Motto ‘Mein Mann liebt mich nicht mehr, er schlägt mich nicht mehr. ‘ Diese sexuelle Abhängigkeit ist ebenso unklar wie ihr Ausflug mit einem Campingnachbarn. Sind beides etwa Sommerspiele? Marias tränenreiche Suche nach ihrem Vater bleibt ein Versuch mit Enttäuschung.
So geht gegen Ende dem Film die Puste aus. Auch wenn Regisseur Rolando Colla versucht mit netten Tauchbildern der Verliebten Kids einen geglätteten Abgang zu erzeugen.
Ein unangenehmes Sommererlebnis aus der Schweiz. Grobkörnig wie Sand zwischen den Zehen. Hoffnungslos herb. Kein Wunder, dass der Film im Oscar Rennen keine Chance hatte.Mehr anzeigen


tamarian

vor 11 Jahren

swehr feinfühlig und schöne kamera


uelas

vor 12 Jahren

trotz den kaputten eltern ein schöner film über die erste liebe als teenager.


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