CH.FILM

Fliegende Fische müssen ins Meer Deutschland, Schweiz 2010 – 87min.

Filmkritik

Tochter als Mutter

Filmkritik: Eduard Ulrich

Nach Pipilotti Rist wagt sich auch Güzin Kar aufs Glatteis der Regie. Sie siedelt ihre Komödie um ein aufgewecktes Mädchen, das bald erwachsen wird, im Schweizer Rheintal an. Dass gerade die Hauptrollen mit Deutschen besetzt und mit Mundart synchronisiert sind, ist nicht die einzige Ungereimtheit.

Kar, die in der Türkei geboren wurde, aber mit fünf in die Schweiz kam, kennt die helvetischen Eigenheiten und bringt eigentlich alles mit, um eine amüsante Komödie abzuliefern. Sie studierte Film mit Schwerpunkt Drehbuch in Ludwigsburg, schrieb witzige Kolumnen, vorwiegend zum Thema Beziehungen, und verfasste das Drehbuch zum erfolgreichen deutschen Film "Die wilden Hühner". Allerdings war dort der Inhalt von der Buchvorlage diktiert, während Kar sich nun auf die eigenen Ideen verlassen musste.

Und die sind zweifellos vorhanden: Roberta (Meret Becker) ist 38, hat drei Kinder von drei verschiedenen Männern, zur Zeit aber ist weder einer der drei, noch ein anderer zugegen. Ihre älteste Tochter Nana leidet unter der Unfähigkeit und Unangepasstheit Robertas, die nicht einmal das eigene Leben, geschweige denn dasjenige ihrer Kinder organisieren kann und mit ihren Macken die Peinlichkeit in Person im Dorf verkörpert. Selten war Fremdschämen so berechtigt, doch Nana ist mit ihren 15 Jahren schon reif genug, die Defizite ihrer Mutter teilweise auszugleichen, wären ihr da nicht die eigenen Gefühle im Wege, die Eduardo heißen, auf den alle Frauen ein Auge geworfen haben.

Die Umkehrung der klassischen Rollen von Mutter und Tochter, die Klatschbasen im Dorf, ein wirklicher und ein vermeintlicher Herzensbrecher bieten Material genug - allein, es hapert gerade dort am meisten, wo Kar in ihren Kolumnen am stärksten ist: an den Dialogen und den Sprüchen, die leider ausnahmslos altbekannt sind - nicht nur, wenn man einige ihrer Texte kennt. Sie tappt außerdem in eine Falle, in die auch Pipilotti Rist fiel: Ein Spielfilm benötigt eine schlüssige Dramaturgie.

Problematisch ist zudem, dass ein Teil der Figuren reine Karikaturen sind, während andere durchaus realistisch gezeichnet sind, was uns in ein Wechselbad taucht: Manchmal können wir eine Figur ernst nehmen, oft aber nicht - richtig lustig ist das nicht, weil der wahre Witz auf echter Überraschung beruht. Das Ensemble weist zwar keine gravierenden Schwachpunkte auf, die Bilder sind aber wenig ambitioniert gestaltet und die Qualität von Kars Texten wird leider nie erreicht.

15.06.2011

3

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Kommentare

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Patrick

vor 10 Jahren

Teilweise wird der Film zu skurril oder auch zu albern, aber er ist trotzdem sehr liebenswert und Elisa Schlott ( Nana) spielt einfach klasse. Für diese Fische gebe 3. 1/2 Sterne.


Gelöschter Nutzer

vor 11 Jahren

Überraschend guter Film in jeder Hinsicht. Komödie mit echtem Tiefgang. Einer der besten Filme seit langem!


hmbrunner

vor 12 Jahren

Ein gut gemachter Film! Unbedingt ansehen!


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