CH.FILM

Abrir puertas y ventanas Argentinien, Niederlande, Schweiz 2011 – 98min.

Filmkritik

Aufräumen und Aufbegehren

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der Siegerfilm am Filmfestival Locarno 2011: die argentinisch-schweizerische Regisseurin Milagros Mumenthaler beschreibt sanft und unspektakulär, wie drei Schwestern um die 20 ihren Weg zu sich selbst und in die Selbständigkeit suchen. Ein entschleunigter Film für Langmütige.

Die Eltern sind verschwunden. Verfolgt, verhaftet oder gestorben? Genaueres erfährt man nicht. Vater und Mutter bleiben indirekt präsent - in Bildern, Gegenständen, in den Köpfen. Kein Einzelfall in der Geschichte Argentiniens, Folgen der Militärjunta: 30'000 Menschen sollen zwischen 1976 und 1983 entführt und ermordet worden sein. Dies ist der historische Hintergrund von Abrir puertas y ventanas, was auf Deutsch «Fenster und Türen öffnen» bedeutet.

Buenos Aires heute. Grossmutter Alicia ist gestorben. Die drei Schwestern Marina (María Canale), Sofia (Martina Juncadella) und Violeta (Ailín Salas) versuchen, allein zurecht zu kommen. Das Trio, zwischen 18 und 20 Jahre jung, ist vom Aussehen, Temperament und Charakter sehr unterschiedlich. Marina, die älteste, etwas mollig, ist grundsolide, bodenständig. Sie studiert, will Haus und Verhältnisse wahren. Die launische flatterhafte Sofia lebt ziellos in den Tag hinein, begehrt auf. Sie hegt Zweifel daran, dass Marina ihre wirkliche Schwester ist, weil sie anders aussieht, sich fremd verhält, zumindest in ihren Augen. Violeta ist eher der Künstlertyp und verschwindet eines Tages mit einem Mann. Die Spannung zwischen der jüngsten und der ältesten Schwester wächst. Sofia beobachtet argwöhnisch, wie Martina sich Schritt um Schritt mit dem jungen Nachbarn Francisco (Julián Tello) anfreundet. Sofia begehrt gegen die schwesterliche Massregelung auf, verkauft Möbel, Platten, Erinnerungsstücke an ihre Eltern und räumt Zimmer aus. Unversehens kehrt Violeta zurück. Es ist Zeit zum Aufräumen, zum Aufbruch.

Der intime Film mutet wie ein Kammerspiel an. Die Autorin und Regisseurin, in Argentinien geboren, in der Schweiz aufgewachsen, beschreibt in ihrem Debüt subtil und einfühlsam, wie drei junge Frauen den Weg zu sich selbst und ihre Selbständigkeit suchen. Der Prozess der Entdeckung, auch des Sexuellen, führt zur Trennung, von der Jugend, von Vergangenem. Die Gewitterwolken verziehen sich, der Himmel klart auf. Mumenthalers leises Drama, in Locarno 2011 mit dem Goldenen Leoparden belohnt, wirkt seltsam schwebend und entschleunigt. Ein Film für Langmütige, Duldsame, der sich ganz auf die Schwestern und zum Ende hin immer stärker auf Marina konzentriert. Das brachte María Canale den Leoparden für die beste Darstellerin ein.

15.05.2012

4

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Kommentare

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nussknacker

vor 11 Jahren

Einfach nur komisch...


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