Tuan Yuan China 2010

Filmkritik

Der Besuch des alten Mannes

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Vielleicht gab die in Deutschland wohl bekannte Thematik der politisch bedingten Trennung von Familien den Ausschlag, die 60. Berlinale mit "Tuan Yuan" ("Apart Together") zu eröffnen. Denn wo sonst aufwendige Produktionen und Starauflauf auf zehn Tage Kinomarathon einstimmen, übte sich der diesjährige Auftakt in unglamouröser Bescheidenheit.

Vor über 50 Jahren wurden die Volksrepublik China und die Inselrepublik Taiwan gegründet. Die Soldaten, die im chinesischen Bürgerkrieg gegen die kommunistischen Truppen kämpften und 1949 nach Taiwan flüchteten, dürfen nun zum ersten Mal wieder nach Shanghai reisen. Auch Liu Yansheng kehrt nach 50 Jahren in seine Heimatstadt zurück, um seine Jugendliebe Qiao Yu'e zu treffen, die mittlerweile eine Familie gegründet hat. Sie bemerken, dass ihre Gefühle füreinander unverändert sind, doch als Liu sie mit nach Taiwan nehmen möchte, müssen sie sich der Realität stellen.

Auf den ersten Blick scheint "Tuan Yuan" ein bewegendes Liebesdrama zu sein, doch wäre der Film nur mit dieser Kategorisierung mehr als verkannt. Denn Regisseur Wang Qua'an verlagert konsequent das Politische ins Private, das scheinbar rein persönliche Schicksal wird zu einem kritischem Statement. Das ist Stärke und Schwäche des Films zugleich. Wang Qua'an scheut die großen emotionalen Gesten, beinahe steril inszeniert er seinen "Ménage à trois" mit leisen Zwischentönen. Nicht nur die Protagonisten meiden fast durchgängig eine klare Äußerung ihrer Gefühle, auch der Schnitt wendet sich immer wieder, bevor eine Szene durch emotionale Intensität überlagert wird, scheinbar neutralen Stellvertretern zu.

Allerdings ist die starke Verlagerung auf den Subtext zugleich problematisch; zumindest als westlicher Zuschauer hat man das Gefühl, einige konnotative Ebenen der Gesten und Aussagen würden sich einem verweigern. So wundert man sich über die leidenschaftslosen Diskussionen der drei Hauptfiguren über die Liebe, die fast objekthaft außerhalb deren Lebenswelten angesiedelt zu sein scheint. Das Essen, die gemeinsame Mahlzeit, wird zur wesentlichen Metapher sozialer Strukturen. Doch auch hier fehlt leider oft das Wissen um Rituale und symbolische Gesten, nicht alle Feinheiten lassen sich mühelos dechiffrieren.

Natürlich kann man diese kulturellen Eigenheiten nicht dem Film anlasten, sondern einzig den eigenen Defiziten, doch insgesamt führt die eigenwillig indirekte Erzählweise zu stellenweiser Langatmigkeit. Doch dann wiederum blüht der Film auf, plötzlich stellt sich eine Lebendigkeit ein, nur um sie in der nächsten Szene wieder zu ersticken. Der Verzicht auf Rührseligkeit ist Segen und Fluch zugleich. Ein durchwachsener Film aus der heutigen Volksrepublik China, sowohl latente Geschichtsstunde als auch beiläufiger Kommentar des sozialen Status Quo. Es scheint, als sei der Titel essentiell für die Umsetzung gewesen: Man ist dabei und doch erscheint einem das Geschehen fremd. Vielleicht ist "Tuan Yuan" ob seiner Ambivalenz eben doch der ideale Eröffnungsfilm.

12.02.2010

4

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