Der Baum Australien, Frankreich 2010 – 100min.

Filmkritik

Der Mann im Baum

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

Die französische Regisseurin Julie Bertuccelli hat den Bestseller der Australierin Judy Pascoe verfilmt. Der Film mit einem Baum und Charlotte Gainsbourg in den Hauptrollen hat vor allem ästhetische Qualitäten.

In die ersten Minuten packt Judy Pascoe das gesamte Glück von Peter und Dawn (Charlotte Gainsbourg), die mit ihren Kindern idyllisch in der australischen Weite leben. Doch dann erleidet Peter einen Herzinfarkt, direkt unter dem mächtigen Baum neben dem Haus der Familie. Dawn wird apathisch, vernachlässigt Haushalt und Kinder. Doch die achtjährige Simone rappelt sich auf: "Man hat die Wahl, glücklich oder unglücklich zu sein. Ich habe mich dafür entschieden, glücklich zu sein." Legt man ihr keine solchen altklugen Sätze in den Mund, wirkt die quirlige Morgana Davies als Simone erstaunlich echt und besteht selbst neben ihrer (wie immer überzeugenden) berühmten Filmmutter.

Simone ist sicher, dass ihr Vater in dem Baum vor dem Haus weiterlebt, und das erzählt sie auch Dawn. Zweifellos geht etwas Geheimnisvolles von dem Baum aus - dazu tragen auch Beleuchtung und Kameraführung bei. Mal ist man dicht an der Baumrinde, mal hoch oben in der Krone, mal hört man es wispern, mal leise knarren. Der Vater im Baum ist Trost für Simone, für Dawn ist er eher Mahnmal. Als sich mit ihrem Chef langsam eine Beziehung anbahnt, schaut sie eines Abends mit schlechtem Gewissen zum Baum hoch. In derselben Nacht stürzt ein riesiger Ast in ihr Schlafzimmer. Doch nicht nur das: Die Baumwurzeln breiten sich immer weiter aus. Da gibt es nur noch eins: Der Baum muss weg. Doch Simone wehrt sich.

Zwar vermeidet Bertuccelli klare Interpretationen: Wer will, kann an Zufall und Einbildung glauben. Und doch lässt einen der Gedanke nicht los, der Verstorbene wolle aus dem Baum heraus die neue Beziehung und Dawns Glück sabotieren - was man dem lebensfrohen Peter kaum zutraut. Tatsächlich bricht Dawn den Versuch eines Neubeginn überraschend ab. Dieses Abweichen von gängigen Erzählmustern mag man begrüssen. Doch würde man sich von den Figuren, besonders von Dawn, mehr Entwicklungspotenzial und Initiative wünschen. Dawns Handeln erscheint willkürlich, entsprechend kommt die Story immer harziger voran, zum Schluss bleibt ein Gefühl von Stillstand und Beliebigkeit zurück. Über diese Schwächen trösten einen sorgfältige Bildkompositionen hinweg. Das gilt nicht nur für die stets fotogene australische Landschaft, sondern auch für die Stimmungen rund ums Haus und in den Innenräumen, die viel Gespür für Lichtgestaltung verraten.

07.04.2017

3

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Kommentare

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davidkoch

vor 13 Jahren

Grosse Ambitionen - kleines Filmchen rausgekommen!


ooophar

vor 13 Jahren

Über die Trauer und das Verkraften eines Todesfalls. Spirituelle und respekteinflössende Naturdarstellung. Grosse schauspielerische Leistungen.


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