Jud Süss Österreich, Deutschland 2010 – 119min.

Filmkritik

Graue Farben, dunkle Geschichte

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Der deutsche Regisseur Oskar Roehler rekonstruiert die tragische Geschichte des Schauspielers Ferdinand Marian, der 1940 in Veit Harlans üblem NS-Film "Jud Süß" die Hauptrolle spielte. Auch weil Joseph Goebbels mächtig Druck machte.

Sein Film sei eine Parabel auf die heutige Branche, mit "Sprüchen, die in gleicher Art von irgendwelchen Managern hier auf den Empfängen gerissen werden", so Oskar Roehler auf der Berlinale-Pressekonferenz. Auch Moritz Bleibtreu betont, dass der Film den "Grundkonflikt jedes Schauspielers" thematisiere, nur in kleinen Teilen den Inhalt der gespielten Geschichten beeinflussen zu können.

Erstaunlich naive Statements für Macher eines Films, der sich die Entstehung des bis heute zu Recht indizierten NS-Propagandahits "Jud Süß" als Sujet gesucht hat. Das passt zum glatten Drehbuch, das gekonnt mit den Mitteln der Zuspitzung und Überhöhung arbeitet und ganz klassisch die Geschichte des Schauspielers Ferdinand Marian (beindruckend: Tobias Moretti) erzählt, der von Anfang an den Kopf in der Schlinge hat, weil der mächtige Goebbels ihn unbedingt für die Rolle haben will. Marian versucht erst, sich zu weigern, dann sich zu befreien und zerbricht schliesslich am Fluch der "Rolle seines Lebens".

Darüber verliert Marian mainstreamkonform alles, was ihm lieb und teuer war: Frau, Kind, Freunde, Ideale, körperliche Unversehrtheit und schliesslich sich selbst. Nah an der geschichtlichen Realität ist dies nicht unbedingt. Ein legitimer Eingriff bei Spielfilmen, sagen die Macher; ein Problem bei einem solch brisanten Thema lautet der legitime Vorwurf der Kritiker.

Auch wenn Drehbuchautor Klaus Richter die "innere Wahrhaftigkeit" des Stoffs beschwört, bleibt ein fahler Nachgeschmack: Der Spagat zwischen satirischer Überhöhung und psychologisch plausiblem Melodram scheitert und produziert szenenweise Retro-Kitsch und Klischees. Die im Visuellen durch entsättigte Farbgebung hergestellte Nähe zu den 1930er Jahren fehlt abgesehen von Moretti im Darstellerischen. Moritz Bleibtreu erliegt der Versuchung, Goebbels leicht ins Clowneske überdehnt einfach nachzuspielen, statt das Wagnis einer eigenen Interpretation einzugehen.

Spannend wäre die Geschichte um die Entstehung von "Jud Süß" gewesen, wenn - wie ursprünglich geplant - der verstorbene Frank Beyer Klaus Richters Buch als Schauspielerfilm inszeniert und nicht Roehler ein grelles Nichts in grauem Farbenkleid daraus gemacht hätte.

21.09.2010

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Kommentare

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Patrick

vor 10 Jahren

Gut gespielte Geschichts-Stunde.


tom12

vor 13 Jahren

Ich bin ja mal froh, dass ich den Film am Billigtag gesehen habe, sonst hätte ich mich vielleicht geärgert... Ein plattes Machwerk, so subtil wie ein Holzhammer, in dem es um viel Sex und noch viel mehr Alkohol geht. Moritz Bleibtreu liefert eine Göbbels-Persiflage ab, die mit Schauspielerei nichts zu tun hat, Tobias Moretti ist in seiner Rolle eigentlich nur damit beschäftigt, zu saufen und wechselnde Damen zu bespringen. Ein Naziklischee reiht sich an das nächste, man hat das Gefühl, das alles schon zigmal in anderen Filmen gesehen zu haben - nur besser.Mehr anzeigen


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