Coco Chanel & Igor Stravinsky Frankreich 2009 – 118min.

Filmkritik

Erotisches Machtspiel zwischen Künstlern

David Siems
Filmkritik: David Siems

Jan Kounen nähert sich der französischen Modedesignerin und dem russischen Komponisten, die einst ein heisser Sommer zusammenschweißte. Mit überragenden Darstellern setzt der Filmemacher den beiden Visionären ein würdiges Denkmal, seziert aber primär die Macht der Erotik, statt die Eckdaten des jeweiligen Schaffens abzuarbeiten.

Paris, 1913: Im Théâtre des Champs-Èlysées findet die Uraufführung von Igor Stravinskys Ballett "Le sacre du printemps" statt. Im Saal kommt es zu tumultartigen Szenen, weil das Publikum nicht vorbereitet ist auf die anspruchsvollen und revolutionären dissonanten Klangmuster. Sogar die Gendarmerie muss das Premieren-Publikum zähmen, die den russischen Komponisten mit den gemeinsten Flüchen beschimpfen. Stravinskys Vorstellung ist nicht nur ein Affront - sie wird zu einem der größten Theaterskandale des 20. Jahrhunderts. Nur wenige Zuschauer erkennen in dem Stück wahre Größe und Vision. Eine von ihnen: Coco Chanel.

In der Flut von Biopics, die stets ein ganzes Künstler-Leben in viel zu kurze zwei Stunden Kinounterhaltung zu pressen versuchen, wählt der holländische Regisseur Jan Kounen ("39,90") den eleganteren Weg: Er erzählt vom Sommer 1920, als die etablierte französische Mode-Designerin Chanel (Anna Mouglalis) sieben Jahre nach der Premiere den radikalen und visionären Komponisten (Mads Mikkelsen) mitsamt Frau und Kindern in ihrem Pariser Vorstadthaus in Garches aufnimmt. Zwischen den beiden Künstlern bahnt sich eine Affäre an, die sich nach und nach zu einem erotischen Machtspiel hochstilisiert, das die beiden extremen Persönlichkeiten charakterisiert. Auf der einen Seite die kühle Arroganz und Extrovertiertheit der Selfmade-Frau, auf der anderen die bröckelnde Zurückhaltung des besessenen und introvertierten Musikers.

Historische Eckdaten werden allenfalls touchiert, sie stehen keineswegs im Zentrum der Handlung. Viel mehr wird hier der Sog der Erotik analysiert, wenn Chanel und Stravinsky statt süßlicher Worte lieber mittels kühler Blicke miteinander ihr Verlangen beichten und sich sexuelle Spannung auflädt wie die lauernde Wahrheit am Ende eines Suspense-Thrillers. Der Drang nach künstlerischem Ausdruck und Fleischeslust obsiegt hier über Moral und Anstand - ein Grund, warum Chanel und Stravinsky stets nach purem Instinkt und Kalkül handelten. Und damit zu zeitlosen Persönlichkeiten wurden.

16.04.2010

4

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