Kapitalismus - Eine Liebesgeschichte USA 2009 – 127min.

Filmkritik

Requiem für den Kapitalismus

Filmkritik: Eduard Ulrich

20 Jahre nach seinem aufsehenerregenden "Roger & Me" holt Michael Moore zum Rundumschlag gegen die Wurzel allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Übels aus: den Kapitalismus. Für Europäer hat der Film vor allem einigen Unterhaltungswert.

Michael Moore ist kein Trendtrittbrettfahrer, der gerade einem System auf den Zahn fühlt, das auf der Intensivstation liegt, seit wir im Zeitalter der "Krise" leben. Schon in "Roger & Me" stellte er fundamental-kritische Fragen: Warum profitable Werke geschlossen werden beispielsweise oder warum eine Firma trotz Milliardengewinnen massiv Personal entlässt. 2009 kann er mit einer gewissen Genugtuung feststellen, dass es schlimmer herausgekommen ist als er damals zu prognostizieren wagte.

Moore stellte in "Sicko" das Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten bloß und in "Bowling for Columbine" thematisierte er den Antagonismus von Profit und Gemeinwohl am Beispiel der Waffenlobby. Jetzt zieht er Bilanz und stellt fest, dass die USA nicht mehr das Land sind, in dem er leben will, weil das Profitdenken alles verdrängt hat: Rücksicht, Anstand, Fairness, Menschlichkeit und zivlisierten Umgang. Er zeigt, wie die Finanzlobby systematisch höchste Regierungsstellen unterwanderte und konsequent alle juristischen Hindernisse aus dem Weg räumte, um ihren Profit auf Kosten des Staates zu maximieren.

Die Beispiele, die Moore in gewohnt emotionaler Manier mit Betroffenen als authentischen Zeugen präsentiert, mögen haarsträubende Einzelfälle sein. Aber allein die Tatsache, dass derartige Ungeheuerlichkeiten in einem modernen Industriestaat passieren können, gibt einem zu denken. Moore riskiert sogar den Vorwurf des mangelnden Patriotismus, wenn er in seinem historischen Rückblick darauf aufmerksam macht, dass die Vereinigten Staaten die vor dem 2. Weltkrieg mit Abstand am höchsten entwickelten Industrienationen, Deutschland und Japan, so zerstörten, dass auf Generationen hinaus keine Konkurrenz mehr zu erwarten war.Umso schlimmer dann das böse Erwachen, als die Konkurrenz schließlich stark genug war.

Moore bleibt seinem Stil treu und inszeniert auch wieder ein paar spektakuläre Aktionen, die zwangsläufig in einem Fiasko enden - der Gaudi für das Publikum tut das keinen Abbruch. Auch wenn er nicht bis zu den Ursachen der Probleme vordringt und viele Bedingungen in Europa ganz anders sind, so bekommt man doch einen anschaulichen Eindruck vom wilden Finanzwesten auf der anderen Seite des großen Teiches.

16.11.2009

4

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Kommentare

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mufi

vor 14 Jahren

Ich hab mir die DVD zu dem Film letzte Woche besorgt und am Wochenende endlich mal anschauen können. Und ich muss sagen: Ich bin begeistert! Der Film zeigt für jeden verständlich auf, was bei der Finanzkrise schiefläuft und wer die Drahtzieher dahinter sind. Auch das Bonusmaterial hat es in sich. Besonders die zusätzlichen Interviews haben mir gut gefallen. Sehr ehrliche Gespräche! Wie bei jedem Film von Michael Moore gilt: Ich kann "Kapitalismus - Eine Liebesgeschichte" nur weiterempfehlen!Mehr anzeigen


staab

vor 14 Jahren

Recht sehenswerter Film, in dem man erstens einige Fakten erfährt, die man so noch nicht kannte, wie z. B. die wirklich extreme Geschichte mit den Lebensversicherungen, letztlich Wetten auf den Tod von Angestellten oder auch über das Rettungspaket für die Banken.
Zweitens wird endlich mal thematisiert, daß man sich als normaler Arbeitnehemer in einer "privaten Tyrannei" befindet und für den Profit ANDERER arbeitet, z. B. der Aktionäre.
Allerdings hat der Film echte Schwächen: So wird oft wenig argumentiert, einfach oft hintereinander die selbe Behauptung aufgestellt wie z. B. bei der Szene mit den Priestern. Und mir fehlte auch die Zurechnung der Verantwortung der Hausbesitzer: hat man die gezwungen, sich zu verschulden?
Trotzdem sehenswert!Mehr anzeigen


nukular

vor 14 Jahren

wirklich schlechter Film. Man merkt das ein paar dinge gestellt sind.


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