Der Dorflehrer Tschechische Republik, Frankreich, Deutschland 2008 – 110min.

Filmkritik

Liebe, Lust und Leiden

Jean Lüdeke
Filmkritik: Jean Lüdeke

Wie ein homosexueller Lehrer aus Prag und eine allein erziehende Mutter auf dem Lande in die Irrungen und Wirrungen der isolierten Zweisamkeit stürzen, demonstriert der tschechische Regisseur Bohdan Sláma in bewegenden Bildern der bleiernen Bewegungslosigkeiten.

Nicht mit ihr, aber auch nicht ohne sie: Nach erfolgreichen und prämierten US-Homophilen-Dramen wie "Brokeback Mountain" und "Milk" nimmt sich diese bemerkenswerte Produktion des Themas auf konträre Weise an: Schon in der ersten Biologiestunde auf dem ländlichen Dorf outet sich der 30jährige Lehrer Petr (Pavel Liska) vor seinen Schülern: Er erklärt seinen Eleven am Beispiel von Schneckenhäusern die mannigfaltigen Prozesse der Natur, die auch aus Menschen eigenständige Individuen kreiere. Die müssten jedoch ihrem Instinkt folgen, um zufrieden und glücklich zu werden.

Petr predigt Wasser, um vorerst heimlich Wein zu trinken. Der plausible Grund: Petr ist schwul und musste darob seinen Job in Prag aufgeben. Nicht weiter tragisch, würde er sich nicht in Marie (Zuzana Bydzovska) verlieben. Was jedoch dramatisch wird, ist seine wilde Unentschlossenheit und lähmende Zerrissenheit, die im Besuch seines intimen Freundes aus der Stadt kulminiert. Die unfreiwillige Ménage à trois und unheilvolle Allianz beschert allen Beteiligten Tragik und Trauer und vor allem Schuld.

Dabei erkennt der Zuschauer allmählich den Grund dieser bleiernen Bewegungslosigkeiten; es sind unerfüllte und unglückliche "Beziehungen", die den alltäglichen Wahnsinn noch wahnhafter gestalten, zumal Petr entgegen seinen Dogmen selbst verunsichert bleibt. Bohdan Sláma fokussiert hier ein allzu intimes, menschliches Thema, das Suchen und das gleichzeitige Verlieren der Liebe, in einem nie enden wollenden inneren Kampf der Emotionen, die gleichsam formen und vernichten.

Der Regisseur bewegt sich dabei auf intellektuellem, jedoch dünnem Eis: Er filmt die Sequenzen vorwiegend in einem Take, minutenlang, bis zur lähmenden formalistischen Langeweile, von Gesicht zu Gesicht, von Geste zu Geste. Allmächtig analytisch, aber in dieser Form stets in Gefahr, die Epik des Bildes überzustrapazieren. Eine derartige visuelle Erzählung durfte man virulenter in Jim Jarmuschs "Down By Law", wesentlich archaischer bei Alfred Hitchcock bestaunen. Hier aber degeneriert virtuose Technik zum exaltierten Selbstzweck.

Das ist auch das einzige Manko, ansonsten macht hier die Melancholie der Isolation schon mächtig an. Zwar sind Sujet und Form keine heilsamen Anblicke für Suizidgefährdete, verblüffen aber durch irre insistierenden Allegorien in den artifiziellen Kamera-Einstellungen.

15.09.2009

4

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