10 Sekunden Deutschland 2008

Filmkritik

Der lange Schatten der Katastrophe

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

2002 kollidierten durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zwei Flugzeuge über dem Bodensee, 71 Menschen kamen dabei ums Leben. Der Regisseur Nicolai Rohde nimmt einzig die grundlegenden Fakten der Katastrophe als Inspiration für seinen Film "10 Sekunden" und erzählt in bewusst fiktionalisierter Form über das Leben nach dem Schicksalsschlag und den Umgang mit Schuld und Trauer.

Der Fluglotse Markus (Wolfram Koch) starrt auf das Display im Tower. Zwei grüne Punkte bewegen sich direkt aufeinander zu, werden eins und verschwinden. Die Situation hat nur 10 Sekunden gedauert, aber dieser kurze Moment reicht, um nicht nur Markus Leben für immer zu verändern. Ein Jahr später plagen ihn noch immer Schuldgefühle. Die Entscheidung des Gerichts, ob er die alleinige Verantwortung für das Unglück oder nur eine Teilschuld trägt, ist dabei fast nebensächlich. Seine Frau Franziska (Marie Bäumer) hat Schwierigkeiten, mit seinen Emotionen umzugehen und sucht Ablenkung in einer Affäre.

Erik (Filip Peeters) hat bei dem Absturz seine Frau und seine Tochter verloren. Für ihn steht der Schuldige fest: Markus. Er sinnt auf Rache und macht sich auf die Suche. Dabei trifft er die unbeschwerte und lebenslustige Daniela (Hannah Herzsprung), die ihn zumindest zeitweise aus seiner Trauer reißen kann.

Und dann ist da noch der Polizist Harald (Sebastian Blomberg), welcher am Tag der Tragödie am Unfallort war und mit den schrecklichen Bildern in seinem Kopf leben muss.

Ein Unglück, drei Schicksale. "10 Sekunden" erzählt in elliptischen Episoden über den Umgang und die Verarbeitung von extremen Erfahrungen. Und auch wenn jeder allein mit der Vergangenheit umgehen muss, sind die Personen untrennbar miteinander verknüpft. Rohde versucht, die emotionale Verkettung in ein dichtes Psychogramm zu stecken und verliert sich dabei aber in der formalistischen Spielerei. Die extrem artifizielle Konstruktion, auch auf der visuellen Ebene, dient dabei nicht der Vermittlung der Komplexität der Traumata, sondern erscheint einzig im Selbstzweck ihre Berechtigung zu finden.

Auch wenn Kameraarbeit und Schnitt sich durch ein hohes Niveau auszeichnen und die Darsteller eine überzeugende Arbeit abliefern, verweigert sich der Film dem Zugang des Zuschauers und bleibt sonderbar steril. Vielmehr fragt man sich die ganze Zeit, warum ein reales Ereignis als Ausgangspunkt genommen wurde, wenn Ort und Personen, Ereignisse etc. komplett geändert wurden. Da jegliche Handlungen losgelöst vom Bodensee-Unglück erzählt werden, bekommt das ganze einen schalen Beigeschmack von intendierter Aufmerksamkeits-Ökonomie.

01.10.2008

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