Die Band von nebenan Frankreich, Israel 2007 – 87min.

Filmkritik

Im Osten was Neues

Filmkritik: Cindy Hertach

Während einer Nacht kommen sich Ägypten und Israel so nahe wie wohl schon lange nicht mehr. Die humorig und melancholisch inszenierte Völkerverständigung findet in der Rollschuhdisco, im Imbiss und auf einem einsamen Parkplatz statt und ist berührend und witzig anzuschauen. Man könnte fast glauben, es mit dem schönsten Film dieses Jahres zu tun zu haben.

Um an der Einweihung eines arabischen Kulturzentrums aufzuspielen, fliegt eine kleine ägyptische Polizeikappelle nach Israel. Am Flughafen warten die acht Mitglieder des "Alexandria Ceremonial Police Band" allerdings vergeblich auf das Empfangskomitee, das sie in die Stadt chauffieren sollte. Also machen sich die acht himmelblau uniformierten Ägypter selbständig auf den Weg und erwischen dabei prompt den falschen Bus, der sie viele Stunden später in einem trostlosen Kaff wieder ausspuckt.

Hier, am Rande der israelischen Wüsten, fahren Busse einmal pro Tag und die Frage nach einem Hotel wird von der ortsansässigen Bevölkerung mit ungläubigem Gelächter quittiert. Abgebrannt, hungrig und rührend in ihrem Versuch, trotz der misslichen Lage die Contenance zu bewahren, wecken die gestrandeten Musiker das Mitgefühl der resolute Barbesitzerin Dina (Ronit Elkabetz), die ihnen schliesslich Obdach für eine Nacht organisiert.

Um das Abendessen gedrängt, kommen sich die vermeintlich ungleichen Kulturen schliesslich langsam näher. Gegenseitige Sympathien entwickeln sich zu Beginn aber nur zögerlich, und vor allem dem gestrengen Chef-Dirigenten Tewfiq (Sasson Gabai) fällt es schwer, sich auf die raue Herzlichkeit seiner schönen Wirtin einzulassen, die mit ihrer westlich geprägten und freizügigen Lebensart so gar nicht dem Frauenbild seiner ägyptischen Wertvorstellungen entspricht. Dennoch entsteht zwischen den Ägyptern und ihren israelischen Gastgebern im Verlauf dieser Nacht eine interkulturelle Annäherung, die sich in kleinen Schritten vollzieht und in einer Art wortkargem gegenseitigem Verständnis mündet. Man besucht gemeinsam die örtliche Rollschuhdisco oder wagt es, sich in der Trostlosigkeit des Neonlichts einer Snack-Bar über Arbeitslosigkeit, Einsamkeit und die Liebe auszutauschen. Und muss irgendwann erkennen, dass man so unterschiedlich gar nicht ist.

Dank Eran Kolirins lakonischem Humor und seiner Vorliebe für statische und ausserordentlich sorgfältig komponierte Bilder ist das nicht nur grossartig anzuschauen, sondern erinnert bisweilen auch an die melancholischen Filme eines Aki Kaurismäki. Mit "The Band's Visit" gelingt es Kolirin auf beeindruckende Weise, menschliche Würde und Hoffnung an einem Ort aufzuspüren, wo man diese schon längst nicht mehr vermutet hätte.

17.02.2024

5

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Kommentare

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andybadi

vor 15 Jahren

Dieser Film ist ein wahres Meisterwerk, der Mimik und Situationskomik! Wird einem keine Minute Lang langweilig.
Einfach schön.


mager1

vor 16 Jahren

Wer diesen Film noch nichtgesehen, hat, der muss dies unbedingt nachholen.
Zu sehen, wie sich Menschen einander behutsam, ängstlich aber auch offen annähern und welche berührenden und witzigen Situationen daraus entstehen können, isteine Bereicherung. Schade, dass dieser Film in arabischen Ländern verboten wurde. Auch wenn er nicht in erster Linie politisch ist, hätte er doch zum Nachdenken über den Umgang miteinander anregen und die Herzen der Menschen öffnen können. Ein Film für Kopf, Bauch und Herz.Mehr anzeigen


ariman

vor 16 Jahren

Endlich wieder mal ein Film, der nicht durch schnellen Schnitt von der Unzulänglichkeit des Plots ablenken muss. Da traut sich einer, das Bild eine Minute lang stehen zu lassen - und von Langeweile keine Spur. Es sind die kleinen Gesten, die dem Film seinen Reiz geben. Fabelhaft. Bloss sprachlich ist das Original etwas schwierig: Hebräisch und Arabisch machen mir etwas Mühe...: -)Mehr anzeigen


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