Liebe in den Zeiten der Cholera USA 2007 – 139min.

Filmkritik

Wohin der Schmerz trägt

Jean Lüdeke
Filmkritik: Jean Lüdeke

Gabriel Garcia Màrquez' Jahrhundertwerk zählt zweifelsohne zu den wichtigsten Literaturperlen des 20 Jahrhunderts. Hier entfaltet der Romancier über fast ein Menschenleben lang eine leidliche wie leidenschaftliche Liebesgeschichte. Mike Newell hat sich nach seinen sehr konträren Filmen an diesem aufwendigen Projekt die Schneidezähne abgestoßen.

Eine ewig leidliche Frage: Läßt sich Literatur verfilmen? Und wie kann der Film die enorme Bildlichkeit der Sprache in die gerahmte Sprachlichkeit des Bildes transformieren? Meistens ein undankbares Unterfangen, wie man hier unschwer erkennen kann. Nach dem Drehbuch des Oscar-Gewinners Ronald Harwood inszenierte Mike Newell zwar eine zutiefst anrührende Liebesgeschichte vor der exotischen Kulisse Südamerikas, doch bleiben subtilere Roman-Elemente wie Gedanken oder nicht Gesprochenes auf der Strecke.

Es wird viel geheult in diesem Drama, am liebsten im Hause des jungen Verschmähten und seiner liebenden Mutter, die zunächst einmal rät: "Genieße den Schmerz": Die auch weiterhin hilft, wo sie kann, zu retten versucht, was nicht mehr zu retten ist. Selbst der Aufenthalt in der Fremde läßt das blutende Herz nicht mehr so recht zuammenwachsen.

Irgendwie ist der Film ein massiver Berg schmelzenden Schmalzes, die Emotionen sieden, die Verzweiflung brodelt hier. Neben dem exquisiten Setting, ist vor allem Javier Bardem das absolute Highlight des Tränen-Streifens. Lediglich im eher schwächelnden ersten Teil der Story muß sich der Betrachter mit Unax Ugalde als den jungen Florentino abfinden. Der begnadete spanische Charakterdarsteller, der schon mit seiner brillanten Darstellung als Killer in dem neuesten Coen-Coup "No Country for Old Men" überraschte, spielt seinen Part mit soviel Esprit und Witz, daß einem nur schon durch die kleinste Veränderung seiner grandiosen Mimik das Lachen kommt. Während er noch in den Anfangssequenzen als Jüngling zu alt daherkommt, somit unfreiwillig komisch wirkt, kann man sich keinen besseren Interpreten vorstellen, der den alternden Womanizer (mehr als 620 beschlafene Frauen) mit solcher Hingabe hinlegt.

Dennoch: Màrquez entfaltet in seiner Vorlage Großes und Gewaltiges. Das läßt sich nicht so einfach in Bilder pressen. Zu vielschichtig die Charaktere, insbesondere Fermina, zu variabel die polygame Interpretations-Möglichkeiten des Romans, um bei seiner Verwandlung wahren Wiedererkennungswert des Buches zu erlangen. Liebe und erotisches Begehren treffen sich in diesem kitschverbrämten Szenario derart unausweichlich wie eine großflächige Cholera-Epidemie. "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" wurde in England und Kolumbien für runde 45 Millionen US-Dollar gedreht. Zusätzlich versprach Produzent Scott Steindorff dem Schriftsteller, den Film nicht im Hollywood-Stil zu halten. Daran hat er sich auch gehalten, aber es nützt letztlich wenig, weil die Adaption doch einiges vom zauberhaften Charme und larmoyanter Ironie der Vorlage verliert.

23.07.2012

3

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 13 Jahren

Dem Film, der sich eng an die literarische Vorlage anlehnt, gelingt es lediglich einen Teil des Zaubers zu übernehmen. Das macht letztlich auch den Unterschied zwischen Roman und Film aus. Die Cholera spielt zunächst nur eine marginale Rolle und erlangt erst am Ende wieder eine gewisse Bedeutung. Márquez/Newell philosophieren ausgiebig über die Liebe, “als Zustand der Gnade, für die nichts eine Bedeutung hat als Anfang und Ende, ein Ende in sich. “ Das lebenslange Warten (53 Jahre) auf die große, unerfüllte Liebe steht im Gegensatz zu 622 vorübergehenden Abenteuern. Die Liebe zunächst als pure Illusion in Frage gestellt und als eines der schwierigsten Phänomene überhaupt bezeichnet, findet dann doch mittels der Cholera ein spätes aber glückliches Ende.
Die musikalische Untermalung passt, die Bilder sind nicht schlecht und es wird etwas betulich erzählt. So schaut man zu, ohne von Hochstimmung ergriffen zu werden, selbst wenn einen das Glück mit über siebzig anrührt.Mehr anzeigen


antiguamia

vor 15 Jahren

Das Gabriel Garcia Marquez diese Verfilmung, v. a. in englischer Sprache, erlaubt hat, begreife ich nicht. Der Film ist meilenweit vom Buch entfernt. Einzig die wunderschöne Landschaft tröstet über die schlechten Leistungen der Schauspieler hinweg.
Nehmt das Buch in die Hand, das ist ein Meisterwerk.Mehr anzeigen


judithschenk

vor 15 Jahren

wer diesen Film in der gleichen Woche wie 'No Country for old men' anschaut, wird Javier Bardem nie mehr vergessen. Die Unterschiedlichkeit dieser zwei Rollen und die Glaubwürdigkeit mit denen er alle beide spielt, sind unnachahmlich. Vielleicht von Johnny Depp. Wahnsinnig gut!!


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