Rohtenburg Deutschland 2006 – 90min.

Filmkritik

Das Monster ist unter uns

Rudolf Inderst
Filmkritik: Rudolf Inderst

Die Verfügung des Oberlandesgerichtes Frankfurt wurde aufgehoben - die an die Tötung und Verspeisung des Bernd Brandes durch Armin Meiwes angelehnte Kannibalen-Odysse endet doch noch im (deutschen) Kino. Die triste, von Martin Weisz manchmal behäbig inszenierte Schlachtplatte wird mit Sicherheit nicht allen, nun ja, munden.

Für den Abschluss ihres Studiums hat sich die Amerikanerin Katie Armstrong (Keri Russel) ein bizarres Thema ausgesucht: Sie will eine Blick hinter die Schlagzeilen werfen und herausfinden, was Oliver Hartwin (Thomas Kretschmann) zu einem der notorischsten Mörder in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland machte. Der Kannibale lernt sein freiwilliges Opfer Simon Grombeck (Thomas Huber) über das Internet kennen. Schließlich stößt die Studentin auf ein Video, welches die letztes Stunden im Leben des Simon Grombek festhält.

Wie so viele andere Kinofilme in der letzten Zeit auch, gibt sich das Spielfilmdebüt des in Berlin geborenen Regisseurs Martin Weisz "inspired by true events". Ganz nach dem Motto "Das Leben erzählt eben doch die besten Geschichten" verfolgt der Videoclip-Spezialist das grausige Geschehen auf zwei Ebenen, welche er zuletzt zusammenführt: Der Zuseher erlebt die amerikanische Studentin, welche sich auf Spurensuche in einem Deutschland begibt, das kein Tourismusverband gern sähe. Weisz zeigt Deutschland in düsteren braun-grauen Tönen. Optisch zitiert Weisz ein Deutschland der 1950er-Jahre, ohne ihm den VW/Italien-Urlaub-Aufschwungsflair zu gönnen. Vielmehr mischen sich Hartz IV- Verliererschicksale der heutigen Zeit in diese Welt. Der Ton der amerikanischen Produktion ist im Original übrigens Englisch, was oftmals dazu führt, dass auch "Deutsche" in Rothenburg untereinander (völlig irreal) akzentgeplagtes Englisch sprechen; unfreiwilliges Schmunzeln ist die Folge.

Der Regisseur nähert sich dem Tabuthema des Kannibalismus auf leisen Sohlen, dann aber oft mit abstoßender Grob- und Rohheit. Das große Plus von Rothenburg ist, dass der Film sich (fast) erfolgreich gegen marktschreierische Revolverblattpsychologie stemmt. Der Kannibale ist hier nicht nur Monster, sondern auch auch trauernder Sohn und naiver Liebhaber. Das Klischee umgeht Weisz freilich nicht. Auch hier sind Rockmusik und Horrorvideos sowie dubiose Internetseiten und dominante Mutterfigur im Spiel, wenn es darum geht, zu zeigen, warum ein junger Mann diese Taten überhaupt durchführen konnte. Seitens PR wird noch eins draufgesetzt: Angeblich treiben sich in Deutschland alleine zirka 600 Kannibalen herum. Wo diese Zahlen erhoben wurden, wird leider nicht klar, aber: Ihr Nachbar, der Nette, ja, eben der, der könnte auch einer sein!

23.06.2009

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