Interview

Cate Blanchett: «Die Frage, warum sie eine Beziehung mit einem Minderjährigen eingeht, ist immens kompliziert.»

Interview: Portmann Media

Wie schon in «Herr der Ringe» betört die Australierin einen jungen Mann, nur diesmal wird sie von Judi Dench beobachtet.

Cate Blanchett: «Die Frage, warum sie eine Beziehung mit einem Minderjährigen eingeht, ist immens kompliziert.»

Q: Cate Blanchett, wie würden Sie Sheba, Ihre Filmfigur, beschreiben?A: In Sheba steckt eine amüsante Schrillheit und eine eigensinnige Naivität, die durchaus von einem literarischen Standpunkt aus betrachtet werden kann. Aber was das filmische angeht, ist es ja so, dass der Zuschauer viel Zeit einer Person zuwendet, die eine moralische Schranke überschreitet und zwar auf eine derart tiefgreifende Art, wie es bei Sheba der Fall ist – da wird es zwingend, dass man tiefer hineinschaut. Und ich hoffe auch, dass im Film eine klare, zugängliche Tiefe vorhanden ist. Rein schon deswegen, weil wir Shebas Sichtweise zu sehen kriegen, und ja auch Barbara von ihrem Stanpunkt aus betrachtet wird.Q: Wie erklären Sie sich die Beziehung zwischen Sheba und Steven?A: Ich denke, dass Menschen, die sich innerlich derart vor sich selbst verstecken, wohl unbewusst Situationen suchen, in denen sie entblösst und erwischt werden könnten. Sheba fühlt sich auf seltsame Art als Opfer der Umstände, als Opfer ihrer Umwelt. Die Frage zu beantworten, weshalb sie eine Beziehung mit einem Jungen eingeht, ist daher immens kompliziert. Und ich denke auch, dass nicht einmal sie selbst das Warum einfach kurz darlegen könnte. Und das grossartige am Film ist, dass er gar nicht darauf aus ist, solche Fragen zu beantworten. Q: Wie haben Sie die Beziehung zwischen Sheba und Barbara eingeschätzt?A: Ich denke, Shebas Fehler ist, dass sie Barbara unterschätzt. Sie hat sie für sich in eine Schublade gesteckt und ahnt gar nichts von der Tiefe ihrer Verzweiflung. Doch Barbara ist auf jeden Fall eine Kämpferin, die alles tun würde, um nicht unterzugehen. Daher heftet sie sich sozusagen an das Leben von jemand anderem. Sie ist eine Art Blutegel, der Sheba leer saugt, denn da ist plötzlich diese Art von negativer Bindung in Form eines gemeinsam gehüteten Geheimnisses. Patrick Marber, der Drehbuchautor, hat es sicherlich geschafft, den Film von den jeweiligen Sichtweisen der beiden Frauen zu lösen. Aber dadurch, dass die Geschichte von Barbara erzählt wird, kommt es am Ende zum grossen Umschwung, als Sheba nämlich aufholt und dann auf gleicher Höhe wie das Publikum ankommt. Davor existiert ja lange dieses Geheimnis zwischen Barbara und dem Publikum.Q: Wie haben Sie Judi Dench als Schauspielerin erlebt?A: Wie Judi Dench die Rolle von Barbara spielt, ist schon bemerkenswert. Zu Beginn wirkt sie unsympathisch, und dennoch, dank Judis Wärme und dem Funken in ihren Augen, vergibt man ihr viel oder versteht sie zumindest. Ich meine, sie hätte auch einfach eine Hexe spielen können, sie wissen schon, im Hexenkessel rührend. Aber genau das ist ja das grossartige: Denn so oft verlangen Drehbücher und Regisseure von einem, Gefühle direkt anzuvisieren, so dass sie vom Publikum gefürchtet oder zumindest nicht gemocht werden. Das spezielle an diesem Projekt ist, dass beide Figuren schwere und entschiedene Makel aufweisen. Und der Film feiert das richtiggehend.

20. Februar 2007

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