La Caja Spanien 2006 – 110min.

Filmkritik

Die grosse Abrechnung

Jean Lüdeke
Filmkritik: Jean Lüdeke

Eine perfide und poetische Komödie über das Ende einer Diktatur:Víctor Ramírez' Roman "Nos Dejaron El Muerte" hat den spanischen Filmemacher Juan Carlos Falcón zu seinem ersten abendfüllenden Kinofilm inspiriert. Das Resultat ist eine intensive Filmstudie über politische Macht und sozialen Mißbrauch.

Film und Theater, eine leidliche Liaison, die nur selten glücklich endet. Diesen androgynen Spagat versucht Juan Carlon Falcòn, nämlich Literatur zu "ver"filmen, die eher für das statische Theater mit seiner doch dialoglastigen Dramaturgie der Innenräume prädestiniert ist. Das nimmt hier ein nicht gerade überglückliches, aber doch zufriedenstellendes Ende.

Eher unglücklich auch der Plot: In einem Fischerdorf auf den Kanarischen Inseln in den 1960ern Jahren stirbt plötzlich und unerwartet der gehasste Nachbar Don Lucio, Franco-Veteran und Vorzeige-Scheusal. Die ganz und gar nicht trauernde Witwe Eloisa (Angela Molina) deponiert den Verblichenen aus Platzmangel in der Küche der Nachbarin Isabel (Elvira Mìnguez). Während sie sich um die Beerdigung kümmert, erweisen ihm Verwandte, "Freunde" und Nachbarn die letzte "Ehre".

Das letzte Geleit erwächst zum verbalen Rachefeldzug mit zynischen Pointen, bloßstellenden Offenbarungen und traumatischen Schuldzuweisungen. Alles kommt nach jahrelanger Totgeschwiegenheit ans Tageslicht. Parallel entwickeln sich aber auch neue Beziehungen und Verknüpfungen, die zur leidlichen Ära von Don Lucio in dieser Konstellation nicht möglich gewesen wären. Die Filmfiguren explodieren schier an ihrer Freude, den Ängsten, der Liebe und dem Hass.

Dabei werden insbesondere die Frauen exponiert, sie sind herzlich und hinreißend, stark und schrecklich zugleich. Die reaktionäre Rache der Damen an der aufgebahrten Leiche kommt bittersüß und bitterböse daher, taucht bisweilen jedoch peinlich unter die Gürtellinie, schreitet bis weit über den ästhetischen Rand des guten Geschmacks hinaus, bleibt aber für den Betrachter irgendwie verständlich. Wer sich aber mit dem politischen und soziokulturellen Hintergrund des Diktators Francisco Franco (1892-1975) beschäftigt, sollte das vollkommen verstehen.

In den 1960er Jahren gab es in Spanien eine dynamische Wirtschaftsentwicklung. Allerdings wurde Franco mit zunehmenden sozialen Spannungen konfrontiert. Dank seines stabilen Militärrückhaltes, der Wirtschaftsmagnaten und der spanischen katholischen Kirche, meisterte Polit-Maestro Franco auch diese Zeit. Erst nach dem Tod Francos gelang der friedfertige Übergang Spaniens zur Demokratie. Allerdings unterblieb eine gründliche Aufarbeitung der Franco-Zeit. Und die betreibt dieser authentische Film trotz einiger lähmender Längen authentisch. Es ist, als hätten Carlos Saura und Pedro Almodovar dabei Pate gestanden.

17.02.2024

3

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Kommentare

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gerybern

vor 15 Jahren

Tolle SchauspielerInnen - Filmaubau mit spannendne Wendungen - spezielle Racheakte "es lebe der schwarze Humor" - Überraschungen bis zum Ende -.... Filmvergnügen auch an Sonnentagen. -)


alexxxander

vor 16 Jahren

wow - der film haut um! wunderschöne details, gefühle wie achterbahn fahren, überzeugende schauspielerInnen...


sandrak

vor 16 Jahren

Ein Film, der in sich stimmt, ausgewogen und klar, wie sonst kaum einer.


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