Todeszeit: 14 Uhr 37 Australien 2006

Filmkritik

Strebertum durch Abschreiben

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Schon lange gehört das Zitieren zu den gängigen Kunstgriffen auf allen popkulturellen Ebenen, vor allem in der Kinolandschaft.

Entweder verdichteten sich dabei die Zitate zu einer Hommage an einen Künstler oder einen bestimmten Film, wie z.B., bei "Motel", in dem Regisseur Nimrod Antal mit klug modernisierten und unaufdringlichen Verweisen dem Klassiker des Thrillers, "Psycho", seine Hochachtung erweist. Oder aber man bedient sich sämtlicher Charakteristika eines gesamten Genres, wie das "Grindhouse"-Projekt von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez, das sich mit "Death Proof" und "Planet Terror" durchaus ehrfürchtig, aber mit liebevoller Ironie vor der Kreativität der 70er-Jahre Trash Movies verbeugt. Und dann gibt es die dumm-dreisten und ärgerlichen Nachahmungen. Letzteres ist leider bei 2:37 der Fall.

Ein gewöhnlicher Tag an einer High School, irgendwo in einer typischen amerikanischen Vorstadt. Doch eine Schülerin entdeckt eine Blutlache, die unter einer verschlossenen Tür auf den Gang fließt. Es ist 2:37 Uhr. Rückblende. Es ist wieder Morgen. Nach und nach werden die sechs Protagonisten eingeführt und schnell die scheinbare Idylle als Trugbild entlarvt. Immer deutlicher kommen ihre persönlichen Verstrickungen, Probleme und dunklen Geheimnisse zum Vorschein, bis einzig die Frage bleibt, wessen Blut dort über den glänzenden Boden der Schule fließt.

Schon die erste Einstellung lässt den Zuschauer an Gus van Sants Meisterwerk "Elephant" denken. Doch worin man anfangs nicht mehr als eine zufällige Ähnlichkeit vermutet, entpuppt sich bald als peinliches Duplikat. Denn ist der dramatische Überbau, die Nacherzählung eines dramatischen Tages an einer Schule, zumindest nur inhaltlich ähnlich, ist der Film stilistisch eine absolut identische Kopie.

Auch bei "2:37" setzen sich die einzelnen Erzählstränge wie ein Puzzle langsam zusammen, auch hier folgt die Kamera den Rücken der Protagonisten durch die trostlosen Gänge. Wie bereits bei "Elephant" gibt es Dopplungen von Szenen, die jeweils aus der Sicht einer anderen Figur gedreht wurden oder der Verzicht auf Schnitte, in dem die Kamera Personen stehen lässt und einer Anderen folgt, um deren Handlung zu folgen. Dazu gibt es immer wieder (natürlich auch wie bei van Sant), Aufnahmen von einem sich in den Bäumen brechenden Sonnenlicht, die hier aber mit einer unangenehm lauten Tonspur von Vogelgezwitscher untermalt sind. Zusätzlich ist der ganze Film über mit einer penetranten bedeutungsschwangeren Musik unterlegt. Als einzige kreative Eigenleistung von Regisseur Murali K. Thalluri kann man wohl das Zwischenschneiden von Interviewsequenzen seiner Charaktere bewerten, die allerdings aufgrund ihrer didaktisch erklärenden Funktion wirklich nicht als Geniestreich gewertet werden kann.

Dabei hätte "2:37" ein durchaus guter Film werden können, zumal er auf einer persönlichen Erfahrung von Thalluri basiert und auch handwerklich nicht schlecht gemacht ist. Aber die prätentiöse Selbstgefällig, der krampfhaft hineingepresste künstlerisch wertvolle Aufbau und vor allen Dingen der uninspirierte und unverhohlene Ideenklau macht ihn schlichtweg zum Ärgernis.

18.07.2007

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Kommentare

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arjuna

vor 13 Jahren

dieser film ist tatsächlich stilistisch eine kopie von gus van sants "elephant". jetzt fragt sich, ob dieser stilistische ideenklau abzuwerten ist, oder auch als homage an den grossen und eigenwilligen meister verstanden werden kann. das thema ähnelt sich tatsächlich und führt in beiden fällen am ende zu einer bluttat. beide storys beruhen auf einer tatsächlichen begebenheit. der grosse unterschied ist die implosion im unterschied zu der gewalt nach aussen wie sie in "elephant" dargestellt ist. ich finde den film gut gemacht (trotz ideenklau) und spannend, weil die geschichte (da ist der kritiker extrem unaufmerksam) sich nicht in einem amerikanischen vorort, sondern in australien abspielt. er zeichnet das bild einer sehr einsamen jugend, die sich in einer absolut leistungsorientierten umwelt nicht zurecht findet, in einer welt, in der es offenbar nur verlierer oder gewinner zu geben scheint.Mehr anzeigen


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