10 Fragen an den Dalai Lama USA 2006 – 85min.

Filmkritik

Picknicks für den Weltfrieden

Tobias Asch
Filmkritik: Tobias Asch

Im Vorfeld der Pekinger Spiele erhält Tibet die erhöhte Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Wahrgenommen werden Momentaufnahmen chinesischer Gewalt, schrille Protestaktionen und politische Ränkespiele zu einer seit gut 50 Jahren andauernden Tragödie, von der kaum jemand die Hintergründe kennt. Ein guter Moment, eine Dokumentation in die Kinos zu bringen, die eine unterhaltsame und zugleich intelligente Annäherung an das tibetische Volk und seinen spirituellen Führer - Seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama - bietet.

Während eines Indien-Drehs ergab sich für den Reisefilmer Rick Ray die Gelegenheit, ein Interview mit dem Dalai Lama zu führen. Drei Monate verblieben ihm, sich mit den historischen und kulturellen Grundlagen vertraut zu machen und sich die gewährten zehn Fragen auszudenken. Der Weg ist das Ziel, mag sich Ray gesagt haben, der diese Zeit für eine filmisch dokumentierte Reise durch den Himalaya und eine gemächliche Annäherung an die Welt des Buddhismus nutzt. Die majestätischen und kargen Landschaften erweitern den Horizont, schärfen den Blick für das Wesentliche und bilden den Ausgangspunkt für eine kulturhistorische Annäherung an die Institution des Dalai Lama. Der Blickwinkel ist ein durchaus westlicher, die dokumentierte Persönlichkeit auch gerade aus dieser Perspektive eine äusserst dankbare. Der Dalai Lama, von der Weltöffentlichkeit als "Rockstar des Friedens" wahrgenommen und sich selbst als "einfacher buddhistischer Mönch, nicht mehr, nicht weniger" bezeichnend, präsentiert sich keineswegs als weltabgewandter Esoteriker, sondern als hellwache und heitere Persönlichkeit, die beim Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion gerne der Wissenschaft den Vorrang gibt. Bei öffentlichen Auftritten ist er unberechenbar, verspielt und von einer unwiderstehlichen Authentizität, was mit liebevoll zusammengetragenem Archivmaterial illustriert wird.

Das Interview nimmt schliesslich nur einen kleinen Teil der 85-minütigen Dokumentation ein. Es werden zwar keine Fragen gestellt, die der Dalai Lama nicht schon vielfach in Büchern, Gesprächen oder Belehrungen beantwortet hätte. Warum scheinen Arme oft glücklicher zu sein als Reiche, fragt Ray beispielsweise. Oder: wie kann man sich zur Gewaltlosigkeit bekennen, wenn man mit Gewalt konfrontiert wird? Doch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in Tibet erhalten die Antworten eine zusätzliche Brisanz; sie sind klug, humorvoll, zuweilen überraschend einfach. Das Rezept, um den Konflikt im nahen Osten zu lösen? Man solle Picknicks veranstalten, um die Menschen zusammenzubringen und den Dialog zu fördern. Dass dies an der Realpolitik scheitern mag, weiss er aber nur zu gut. Auf die tibetisch-chinesische Realität lässt sich dieser Ansatz in diesen Tagen kaum übertragen, was in aller Deutlichkeit an heimlich aufgenommenen Bildern der chinesischen Besatzung in Tibet gezeigt wird, die an Brutalität kaum zu übertreffen sind.

"10 Questions For The Dalai Lama" ist eine kurzweilige, respektvolle und humorvolle Annäherung an die Persönlichkeit des Dalai Lama und das eng mit ihm verknüpfte Schicksal des tibetischen Volkes. Dass der Film formale Schwächen aufweist und mit einem schauerlichen New Age-Klangteppich unterlegt wurde, erweist sich als unbedeutend. Mag sein, dass sich ein Stück der Gelassenheit seiner Heiligkeit auf den Zuschauer überträgt. Dieser verlässt das Kino mit einer Heiterkeit, die noch eine ganze Weile anhält.

06.07.2009

4

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