Steamboy Japan 2004 – 126min.

Filmkritik

Dampfmaschinen greifen an

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Mit «Steamboy» kommt der lang erwartete neue Trickfilm von Animé-Altmeister Katsuhiro Otomo («Akira») in die Kinos. Der Ausflug ins viktorianische Dampfzeitalter ist Überwältigungskino im besten Sinne.

Vergessen wir für einen Moment mal all die mit Superlativen bedachten CGI-Schlachtszenen und digitalen Stadtrundgänge, mit welchen inzwischen jeder halbgare Fantasyfilm aufwarten kann, zugunsten von echtem Kinohandwerk. Was Katsuhiro Otomo in seinem «Steamboy» zumeist mit herkömmlichen Zeichentricktechniken auf die Leinwand zaubert, ist so atemberaubend, dass man darüber die etwas gar dünne Story gerne vergisst. Diese ist zwar clever ausgedacht und atmosphärisch ins viktorianische Dampfzeitalter eingepasst, schliesslich aber bietet das Geschehen primär Anlass dafür, immer wieder pustende, kochende, brummende, stampfende, rauchende, keuchende, explodierende, fliegende, rasende, krachende und knallende Dampfmaschinen ins Bild zu setzen.

Zunächst scheint sich das Leben des jungen Ray Steam in idyllischen Bahnen abzuwickeln. Er lebt im Manchester des 19. Jahrhunderts im Kreise einer Rumpffamilie, denn Vater Eddie und Grossvater Lloyd Steam sind gefragte Dampfmaschinen-Erfinder und deshalb abwesend. Alles ändert sich, als eines Tages finstere Kerle auftauchen, um in den Besitz einer geheimnisvollen Energiequelle, dem so genannten «Dampfball», zu gelangen. Diesen hat Ray von seinem Grossvater zur Verwahrung zugeschickt bekommen. Einer ersten unfreundlichen Übernahme, vorgetragen mit einem Dampf-Panzer, kann Ray nur knapp auf seinem Dampf-Rad entkommen. Im Dampfzug geht's nach London, wo Ray von der O'Hara Foundation in Gewahrsam genommen wird. Wie sich zeigt, will auch diese Gruppe in den Besitz des Dampfballs kommen, und Ray staunt nicht schlecht, als er in ihren Reihen seinen Vater entdeckt, der offenbar mit diesen Super-Kapitalisten gemeinsame Sache macht.

Auf der anderen Seite steht eine Antikapitalistengruppe, zu der auch Rays Grossvater gehört. Sie beansprucht den Dampfball ebenfalls für sich. Um ihn in ihren Besitz zu bringen, sind auch die angeblichen Menschenfreunde bereit, maximale Gewalt anzuwenden. Die Auseinandersetzung kulminiert an der Londoner Weltausstellung, wo die O'Hara Foundation den versammelten Militärs, Wirtschafts- und Politgrössen ihren Anspruch auf die Weltherrschaft kundtun will. Es kommt zu einer gewaltigen Materialschlacht, in deren Verlauf turmhohe Dampfmaschinen-Kolosse zum Einsatz kommen. Mitten drin Ray, der keiner der Parteien trauen kann und deshalb auf seine eigenen Fähigkeiten setzen muss.

Natürlich ist Ray Steam ein Vorfahre des Cyberpunks Akira, mit dem Otomo 1988 weltweit bekannt wurde. Beide Jungen leben und bewegen sich in Städten, die faszinierend und abstossend zugleich sind, und ihre Ausdehnung in jeden Winkel des Kosmos' zu bewerkstelligen suchen. Da werden Gebäude lebendig und Maschinen beseelt. Ob Gott oder Teufel dahinter stecken, ist beim besten Willen nicht auszumachen. Die im japanischen Anime gern obsessiv zelebrierten Mutationen von Figuren, Maschinen, Häusern wirken, aufs europäische 19. Jahrhundert übertragen, nicht etwa deplatziert, sondern erinnern in ihrem irrsinnigen Ausmass an die Konstruktionen, die Jules Vernes so gerne zur Vernichtung der Welt erfand. So oder so, «Steamboy» ist Kino mit Suchtpotenzial.

19.02.2021

4.5

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Kommentare

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zaku

vor 18 Jahren

Die Geschichte ist originell und spannend. Wieder ein Grossartiges Werk von Katsuhiro Otomo. Die Zeichnungen und CGI sind wunderbar schön! Ein "Muss" für jedes Anime-Fan!!


philm

vor 18 Jahren

Muss mich leider Jonas anschliessen:
"Story gleich öde, Animation Spitzenklasse"
Stellenweise hat die Story wirklich einen Druckverlust.


stifflersmom

vor 18 Jahren

Story gleich öde, Animation Spitzenklasse


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