Die grosse Reise Frankreich, Marokko 2004 – 108min.

Filmkritik

Den Islam zeigen

Beatrice Minger
Filmkritik: Beatrice Minger

Im Roadmovie "Le grand voyage" schickt Ismaël Ferroukhi einen Vater und seinen Sohn mit dem Auto auf die Pilgerreise nach Mekka. Die Panoramafahrt durch den vorderen Orient erzählt von einer friedliebenden islamischen Kultur fernab von bärtigen Terroristen und blutigen Stammesfehden.

Das Bild des westlichen Menschen vom Nahen Osten ist geprägt durch Nachrichten in Funk und Fernsehen. Gezeigt wird Islam vornehmlich in Form von Selbstmordattentaten, Terroranschlägen, Kriegen. Das Erstlingswerk von Ismaël Ferroukhi kann etwas gegen diese einseitige Betrachtungsweise tun. Ferroukhi inszeniert die traditionelle Pilgerreise - den Hadsch - nach Mekka als Roadmovie. Und umgeht elegant eine zähe Thematisierung des Islams, indem er beim Menschen selber ansetzt. Er erzählt zunächst einfach eine Geschichte von einem Vater und streng gläubigem Moslem (Mohamed Majd) marokkanischer Herkunft und seinem Sohn Réda (Nicolas Cazalé), aufgewachsen und sozialisiert im westlichen Frankreich. Vater und Sohn zwängen sich in zwei Quadratmeter Auto und fahren 5000 Kilometer quer durch Europa Richtung Orient.

Dass es dabei zu Konflikten zwischen Vater und Sohn, zwischen zwei Generationen und schliesslich zwischen zwei Kulturkreisen kommen muss, ist praktisch vorprogrammiert. Der Vater scheint ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Er spricht nur arabisch, wenn er spricht, macht dem Sohn aber auf seine ganz eigene pädagogische Art klar, wer das Sagen hat. Der Sohn hingegen übt sich im Aufstand gegen Vaters Autorität und reagiert auf die Lektionen mit rebellischem Unverständnis. Doch es wäre kein Roadmovie, wenn sich inner- und ausserhalb der Figuren nicht allerlei bewegen und entwickeln würde und während draussen Europa vorbeifährt und der Orient näher rückt, finden auch Vater und Sohn allmählich zu sich und somit zu einander.

Hätte "La grande voyage" auch leicht zu einem Postkartensammelband werden können, entschied sich Ferroukhi für eine bescheidenere Variante. Er zeigt dokumentarische, schnörkellose und stille Bilder, sozusagen die Ruhe vor dem Sturm, bevor die beeindruckenden Aufnahmen von Mekka den Höhepunkt bilden. Da wo den beiden Männern die Worte ausgehen, übernehmen die Bilder die Erzählung. Über den Islam wird nicht geredet, er wird gezeigt. Ein Bild mit reichlich idealistischen Zügen, welches nicht auf die Problemzonen des Islam zielt und sich auf die inneren Auseinandersetzungen der Figuren beschränkt. Dafür jedoch nachhaltig beeindruckt und mühelos und fast unmerklich die Tür zu einer fremden Welt öffnet.

01.06.2021

4

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Kommentare

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sandrak

vor 18 Jahren

- feinfühliger zugang zum thema, liebevoll.
- keine wertung des islam, religion an sich als etwas gutes dargestellt
- starke bilder
- glaubhafte, charakteristische gesichter
- guter soundtrack


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