Master And Commander - Bis ans Ende der Welt USA 2003 – 140min.

Filmkritik

Segel setzen, Ballast abwerfen

Filmkritik: Jürg Tschirren

Russell Crowe tritt als Kapitän "Lucky" Jack Aubrey eine Verfolgungsjagd an, die ihn von der brasilianischen Küste über Kap Horn bis zu den Galápagosinseln führt - und er lehrt uns, dass in Krisenzeiten eine starke Führerhand und Opferbereitschaft von Nöten sind.

Wir schreiben das Jahr 1805. Napoleon bedroht die Macht des britischen Empires, seine Schiffe haben den Krieg auf die See getragen. Die HMS Surprise (28 Kanonen, 197 Mann Besatzung) segelt unter der Führung des hoch dekorierten Navy-Kapitäns "Lucky" Jack Aubrey (Russell Crowe) vor der Nordküste Brasiliens, als aus dem Nichts heraus das französische Kaperschiff Archeron auftaucht. In einem dramtischen Seegefecht wird die Surprise schwer beschädigt und ein Grossteil ihrer Besatzung getötet oder verwundet. Begleitet vom Schiffsarzt Dr. Stephen Maturin (Paul Bettany) und einer loyalen Crew macht sich Aubrey auf, die Archeron zu stellen. Und reist dabei "von der brasilianischen Küste zu den sturmgepeitschten Gewässern vor Kap Horn, südwärts durch Eis und Schnee bis zum anderen Ende der Welt, den entlegenen Küsten der Galápagosinseln", wie das Presseheft schreibt.

Auch wenn die Ereignisse in "Master and Commander - the Far Side of the World" zu Beginn des vorletzten Jahrhunderts stattfinden: Die Geschichte lässt sich ebenso gut als aktuelle Parabel auf die Standortkonkurrenz nationaler Wirtschaftsräume lesen. "Dieses Schiff ist England" wird Russel Crowes Kapitän Aubrey im Verlauf des Films feststellen. Das Boot als Bild für die nationale Schicksalsgemeinschaft - wir kennen die Metapher. Und natürlich hat das Nation-Boot einen Konkurrenten: Er ist technisch überlegen, schnell und wendig. Der Feind ist listig, greift aus dem Nebel an. Um diesen Feind zu besiegen, so lehrt uns "Master and Commander", müssen wir werden wie er. Und wir müssen Opfer bringen, Ballast abwerfen, uns unterordnen.

Wiederum ist es Kapitän Aubrey, der feststellen wird, dass ein Boot und seine Besatzung einen strengen Anführer brauchen. "Die Leute wollen geführt werden, sie wollen Stärke" heisst es dazu wörtlich. Autorität ist unabdingbar in Zeiten der Not. Doch die Figur des Dr. Maturin, der als kritischer Intellektueller und freundschaftlicher Gegenpart zu Crowes Haudegen angelegt ist, symbolisiert gleichzeitig: Ein gewisses Mass an Opposition ist in dieser Ordnung erwünscht, solange nicht die grundlegenden Strukturen des Systems in Frage gestellt werden. Auch Kultur und Wissenschaft haben hier ihren Platz, zumal sie sich produktiv nutzen lassen - sei es das gemeinsame Musizieren mit Streichinstrumenten, das Aubrey und Maturin nach einem harten Arbeitstag Entspannung finden lässt oder das Interesse an den (Natur-)Wissenschaften, das sich im Kampf um Wettbewerbsvorteile erfolgreich umsetzen lässt (die entscheidende Seeschlacht wird nicht zuletzt dank dem Wissen um die Mimikry von Insekten gewonnen).

Wir lernen auch: Um das Boot konkurrenzfähig zu halten, müssen wir bereit sein, Opfer zu bringen. Ebenso wie der nationale Wettbewerbsstaat nicht mehr dazu bereit ist, jeden und jede mitzuschleppen, ist es an Kapitän Aubrey, die Taue zum Mast zu kappen, an die sich ein über Bord gefallener klammert und damit das Schiff in die Tiefe zu reissen droht. Wer über Bord fällt wird zum Ballast, der das Fortkommen der Gemeinschaft gefährdet. Ebenso hinderlich ist, wer dem gesellschaftlichen Druck nicht mehr standhält. Auf der HMS Surprise ist es der psychisch schwache Seekadett Hollom (Lee Ingleby), der mit einer Kanonenkugel in der Hand in die Fluten springt und sich gleich selbst entsorgt. Sogar die Kleinsten und Schwächsten müssen auf die Zähne beissen: In einer seiner schönsten Sequenzen zeigt uns der Film erst, wie einem 13-jährigen Seekadetten (Max Pirkis) der rechte Arm amputiert wird, nur um in der nächsten Einstellung auf einen Seemann zu schneiden, der die Galionsfigur der Surprise mit Hammer und Stemmeisen bearbeitet. Das Schiff und seine Besatzung mussten schlanker werden. Doch uns wird ebenfalls gezeigt, dass dadurch Fahrt gewonnen wurde und die Verfolgung der Archeron aufgenommen werden kann.

Diese Lehren von Hierarchie, Opferbereitschaft und Verschlankung präsentieren uns Regisseur Peter Weir und sein Kameramann Russell Boyd in monumentalen Bildern, die dem Zuschauer das Gefühl vermitteln, selbst an Bord der Surprise zu sein. Kanonenkugeln reissen bei Seegefechten Löcher in die Schiffe und lassen uns in Deckung gehen vor Holzteilen, die Granatensplittern gleich auf uns zuschiessen. Wenn der sturmgepeitschte Ozean mit riesigen Wellen das Schiffsdeck überflutet, stellen wir mit Erstaunen fest, im Kinosessel nicht nass geworden zu sein. Und schliesslich ist da Russell Crowe, der nach "Gladiator" einmal als sympathischer Haudegen brilliert. An ihn können wir uns auch in höchster Not klammern.

Das Drehbuch von "Master and Commander - the Far Side of the World" basiert auf den "Aubrey/Maturin"-Romanen des Engländers Patrick O'Brian - von der New York Times als "die besten historischen Romane, die je geschrieben wurden" bezeichnet. Die Roman-Reihe zählt unterdessen gut 20 Titel und wir wollen nicht hoffen, dass Weir sie alle verfilmen will. Denn auch wenn "Master and Commander" über zwei Stunden packende Unterhaltung bietet: Die Botschaft des Films haben wir schon beim ersten Mal verstanden.

19.02.2021

3.5

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Kommentare

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8martin

vor 4 Monaten

Von Freunden der Seeschlachten vielfach hoch gelobt. Für alle übrigen Zuschauer lediglich ein feucht fröhlicher Männerabend. (Die Welt der Frauen bleibt außen vor.)
Den Film trägt optisch fast allein der Hauptdarsteller Russell Crow, Kapitän Aubrey; und das geht auf die Dauer auf Kosten der Spannung. Die übrigen Mitglieder der Crew wurden von Regie und Drehbuch zur Bedeutungslosigkeit reduziert. Selbst die Seeschlacht kommt ohne Witz und Pfiff daher. So langweilig ist nun mal das Leben an Deck. Da mag der Ozean noch so hohe Wellen hereinbringen, wie er will. Die Jungs haben den Kopf immer wieder über Wasser. Sie singen und trinken und beobachten die Wellen.
Außer einer OP, die der Schiffsarzt Dr. Maturin (Paul Bettany) mit Hilfe eines Spiegels selber an sich vornimmt, musizieren der Kapitän und er noch ein wenig zusammen. Ab und an widersprechen sie auch einander. Gottseidank erreichen sie die Galapagos Inseln und geben dem Plot eine wissenschaftlich-biologische Wende. Darwin lässt grüßen.
Am Ende macht die Mannschaft der Surprise dem Namen ihres Schiffes alle Ehre und überrascht das Kaperschiff Acheron. Und erfüllt auch noch seinen Auftrag. Wer hätte das gedacht?! Der Titel des Films muss sich ja wohl auf Kapitän Aubrey beziehen. Kommandieren muss er aufgrund seines Postens. Den anderen Titel hat ihm wohl Regisseur Peter Weir verliehen, von dem es – außer dem hier - viele sehr gute Filme gibt. K.V.Mehr anzeigen


hergie

vor 13 Jahren

Den fand ich super, weil er auch ziemlich viel über die Psychodynamik in einem Team bringt, dass über lange Zeit isoliert ist. Wie sich da eine unerbittliche Hackordnung herausbildet. Aber auch die Freundschaft zwischen dem wissenschaftlich interessierten Schiffsarzt und dem Kapitän war toll, und Russell Crowe als Kapitän ist eine Wucht.Mehr anzeigen


sminja

vor 18 Jahren

laaaangweilig


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