Amores possíveis Brasilien 2001 – 94min.

Filmkritik

Die Qual der Wahl

Filmkritik: Andrea Bleuler

Vor einem Jahr hat die brasilianische Regisseurin Sandra Werneck mit "Pequeno dicionário amoroso" das europäische Publikum betört. Nun setzt sie ihre pikanten Analysen der Liebe fort. Die brennende Frage in diesem Fall: Welche verschiedenen Lebenswege hätten sich aus jenem Rendez-vous vor 15 Jahren für Julia und Carlos ergeben können?

Man weiss es, und ist es sich trotzdem nicht bewusst: Entscheidungen in ganz alltäglichen und unspektakulären Situationen können sich nachhaltig auf ein Leben auswirken. Erst die Fiktion vermag solchen Banalitäten ihren wahren Wert zurückzugeben. Parallelmontage heisst das Zauberwort, welches ermöglicht, was der Mensch nicht kann - nämlich mehrere Varianten eines Lebens durchzuspielen.

Sandra Werneck hat die Handlungsstränge dreier verschiedener Liebesgeschichten ineinander verwoben. Ihre gemeinsame Ausgangssituation: eine Verabredung von Carlos (Murilo Benicio) und Julia (Carolina Ferraz) in einem Kino. Fünfzehn Jahre später treffen sich die beiden wieder.

In der ersten Version wird Carlos von Julia versetzt. Er heiratet schliesslich Maria (Irene Ravache) und langweilt sich in seiner kinderlosen Ehe. Doch als seine alte Flamme - in der Zwischenzeit eine gestandene Kunsthändlerin - plötzlich wieder auftaucht, erwacht er aus seiner Apathie. Im zweiten Drehbuch taucht Julia tatsächlich auf. Doch Jahre später hat Carlos sie und ihr gemeinsames Kind verlassen. Er lebt mit seinem Liebhaber zusammen, verliebt sich aber erneut in seine Frau und muss sich nun endlich über seine sexuelle Identität bewusst werden.

In der dritten und vielleicht überzeugendsten Geschichte lässt Julia Carlos stehen. Mit Mitte dreissig wohnt Carlos immer noch zu Hause, schleppt seiner Mutter jede Nacht eine neue Namenlose ins Haus. Bei einem verzweifelten Versuch mittels eines Partnersuche-Tamagochis sein Single-Dasein zu beenden, trifft er erneut auf Julia, nun eine etwas wirre Künstlerin.

Nicht alle Varianten sind gleichermassen ergreifend. Die Qualität der schauspielerischen Arbeit ist jedoch überwältigend. Murilo Benicio überzeugt als schwuler Vater ebenso wie als staubiger Anwalt oder notorischer Aufreisser mit monogamen Ambitionen. Seine Lebenspartnerin Carolina Ferraz steht ihm in nichts nach.

Dass sich aus ein und derselben Person im einen Fall ein Homosexueller, im andern ein Heterosexueller entwickelt, darf wohl nicht allzu sehr hinterfragt werden. In erster Linie ist es die erzählerische Experimentierfreude, mit der sich Werneck den Verquickungen zwischen Schicksal und Entscheidungen annähert, die den Charme von "Amores Possíveis" ausmacht.

18.05.2021

4

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Kommentare

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fosz

vor 21 Jahren

cool


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